Meinung Die Front der Gegner von Tempolimits bröckelt

Meinung · Ein Tempolimit auf deutschen Straßen findet immer mehr Anhänger. Aus gutem Grund.

Rein sachlich betrachtet gibt es vor allem gute Argumente für Tempolimits – ob auf der Autobahn, der Landstraße oder in der Innenstadt. Die Mehrheit der Bevölkerung ist dafür, zumindest sagen das die Demoskopen. Die geringere Geschwindigkeit sorgt für weniger Unfälle und damit weniger Tote und Schwerverletzte. Und zu guter Letzt dient eine Begrenzung der Luftreinhaltung und dem Klimaschutz. So weit, so gut.

Auf der anderen Seite haben Tempolimits auch eine stark emotionale Komponente. Viele Deutsche lieben nun mal ihr Auto und die PS unter der Motorhaube, also die Freiheit, ab und an aufs Gaspedal drücken zu können. Teile der Politik spielen bei ihrem Nein zum Tempolimit genau auf dieser Freiheitsklaviatur. Erst jetzt hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer noch einmal der Forderung eine Absage erteilt und sie sogar als „Fetisch“ abgekanzelt. Scheuer kennt sich da aus – die Pkw-Maut nur für Ausländer war auch so ein „Fetisch“, freilich einer der CSU. Das Debakel wird den Steuerzahler hunderte Millionen Euro kosten.

Tempolimits sind jedoch keine Strafaktionen gegen freiheitsliebende Autofahrer, sonst gäbe es solche Beschränkungen in den meisten anderen Ländern wohl nicht. „Freie Fahrt für freie Bürger“ ist auch in Deutschland nur noch auf wenigen Strecken möglich. Der angebliche Zeitgewinn endet dann zügig im nächsten Stau, von denen es (gefühlt) genauso viele gibt wie bereits existierende Geschwindigkeitsbegrenzungen. Auch nach vier Jahren Scheuer im Amt. Lässt man den Umweltschutzaspekt beiseite, der laut Umweltbundesamt unbestritten besteht, darf überdies ein weiterer Punkt nicht übersehen werden: Wer aufs Gaspedal drückt, belastet das Verkehrsklima insgesamt. Er sorgt für Stress bei den anderen, für Unbehagen, mitunter für Aggressivität. In einer sich veränderten Mobilitätswelt – Stichwort Fahrrad – erhöhen Tempolimits zumindest die Chance darauf, entspannt im Straßenverkehr mitzurollen, wann immer das möglich ist. Für die Verkehrskultur, für das Miteinander auf der Straße wäre damit einiges gewonnen.

Im Wahlkampf spielt die Forderung nach einem Tempolimit bereits eine Rolle, alle Parteien positionieren sich dazu in ihren Programmen. Das ist nur konsequent. Erst im vergangenen Jahr war Tempo 130 auf Autobahnen Thema im Bundesrat, doch die Länder entschieden sich dagegen, trotz einer gegenteiligen Ausschussempfehlung. Auch in der noch amtierenden Koalition gab es viele Befürworter. Aus Gründen der Koalitionsräson wurde das Vorhaben aber nicht verfolgt. Erkennbar ist, dass politisch die Front der Gegner immer mehr bröckelt, auch wenn wegen des Wahlkampfes vor allem aus der Union dagegengehalten wird. Sollte es aber nach der Bundestagswahl zu Schwarz-Grün kommen, wird das Tempolimit kommen. Ob die Union dann will oder nicht. Das Vorhaben müssen die Grünen durchsetzen. Da stehen sie im Wort. Und falls es eine andere Mehrheit geben sollte, wird man sich dem wachsenden Druck aus allen gesellschaftlichen Bereichen kaum länger entziehen können.

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