Gleichgeschlechtliche Partnerschaften Überfällige Worte des Papstes mit Knalleffekt

Die Erde ist eine Kugel und dennoch gibt es Menschen, die immer noch von ihrer Flachheit ausgehen. So ähnlich verhält es sich in der katholischen Kirche mit Verantwortlichen, die sich nach wie vor gegen ein Lebenspartnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Paare wehren.

 Julius Müller-Meiningen

Julius Müller-Meiningen

Foto: Robby Lorenz

Homosexualität existiert, Menschen mit homosexueller, bisexueller Orientierung oder Transgender-Personen (zusammengefasst in der aus dem Englischen übernommenen Abkürzung LGBT für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) sind genauso viel Wert wie heterosexuelle Menschen, sie sollten deshalb dieselben Rechte genießen. Aber es gibt Kräfte, die die Tatsachen bis heute nicht anerkennen und aus ideologischen Gründen gegen eine Anerkennung aufbegehren. Die Worte von Papst Franziskus, der sich für den rechtlichen Schutz gleichgeschlechtlicher Lebenspartner ausspricht, waren deshalb überfällig.

Die Umstände der Veröffentlichung dieser Aussagen zeigen, wie schwer sich die katholische Kirche insgesamt weiterhin mit dem Thema tut. Die Interview-Aussagen stammen teilweise aus einem Gespräch des Pontifex aus dem Jahr 2019 mit dem mexikanischen Fernsehen, die Passage zu den Lebensgemeinschaften wurde wohl aus dem damaligen Interview herausgeschnitten. Jetzt entfalten die Worte ihren Knalleffekt.

Gleichwohl ist die katholische Kirche eine Weltgemeinschaft, der Papst richtet sich mit seinen Worten nicht nur an Deutsche oder Europäer, wo Lebensgemeinschaften für Nicht-Heterosexuelle oft schon Standard sind, sondern auch an Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika. In manchen Ländern dieser Kontinente werden homosexuelle Menschen heute noch verfolgt. Die Wirkung der Worte von Franziskus dürfte, wenn sie nicht der Zensur zum Opfer fallen, in diesen Regionen noch größer sein.

In gewisser Weise entfernt sich Franziskus mit seiner Stellungnahme vom Lehramt. Das ist richtig und wichtig. Denn wenn sich die katholische Kirche in ihren Überzeugungen nicht weiterentwickeln könnte, wie es Traditionalisten verlangen, die auf der Fixierung des Lehramts beharren, dann wären in der Glaubenskongregation noch heute Hexenverbrennungen en vogue. Auch die Kirche muss sich verändern. Im Jahr 2003 stellte der spätere Benedikt XVI., damals noch als Präfekt der Glaubenskongregation, „den unsittlichen Charakter“ gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften heraus und bezeichnete sie als schädlich für die Gesellschaft. Christliche Politiker rief er gar zum Widerstand gegen entsprechende Gesetzesentwürfe auf. Das ist erst 17 Jahre her. Franziskus tut gut daran, öffentlich von diesen unhaltbaren Positionen abzurücken. Bis auch derartige Dokumente im Vatikan im Schredder landen, wird es noch eine ganze Weile dauern. Und bei aller Fortschrittlichkeit hat auch Papst Franziskus eine dunkle Seite. Die Ehe für Homosexuelle bezeichnete er als Erzbischof von Buenos Aires einst selbst als Versuch des „Vaters der Lügen, die Kinder Gottes zu verwirren und zu betrügen“.

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