Corona-Lockerungen Merkel und die Länderchefs stehen unter Zugzwang

Diese Woche wird eine werden müssen, die etwas Klarheit in der Corona-Krise bringt. Wenn die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten diesen Mittwoch erneut über das Vorgehen im Kampf gegen das Virus berät, ist die Erwartungshaltung gewaltig.

 Hagen Strauss

Hagen Strauss

Foto: SZ/Robby Lorenz

Die Forderungen nach schrittweiser Rückkehr zur Normalität dominieren seit Tagen die Debatte über den weiteren Umgang mit Corona. Politisch von einigen Regierenden und insbesondere von der Opposition forciert; durch jüngste Studien noch verschärft, die eine allmähliche Öffnung der Schulen oder des Einzelhandels für sinnvoll erachten. Das alles hat Hoffnungen bei Bürgern und Wirtschaft geweckt, deren Nichterfüllung sich die Politik kaum noch leisten kann. Zumal sich die Fall- und Todeszahlen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eher positiv entwickeln. Im Moment jedenfalls.

Alle stehen in dieser bisher nie dagewesenen Situation erheblich unter Druck, fast jeder fühlt sich derzeit berufen, möglichst laut auf die langsame Aufhebung der Einschränkungen zu drängen. Die Debatte darüber muss mittlerweile auch sein, denn die ökonomischen Folgen des nunmehr seit gut vier Wochen andauernden Lockdown werden immer dramatischer. Und es geht ja auch um Grundrechte, die kurzerhand abgeschafft wurden und die zwingend wieder in Kraft gesetzt werden müssen. Aber die Diskussion darf zugleich nicht zu einem schnöden Überbietungswettbewerb führen, wie das zwischenzeitlich politisch der Fall ist. Besonnenheit bleibt das Gebot der Stunde. Oder anders: Gesundheitliche Belange zählen ganz klar mehr.

Nach wie vor hat man den Eindruck, dass vor allem die Kanzlerin mit Bedacht agiert, die vor verfrühten Schritten aus Angst vor Rückschlägen warnt. Italienische Verhältnisse, soweit sie auch entfernt zu sein scheinen, sind schließlich immer noch möglich. Angela Merkels Regierungszeit endet kommendes Jahr, sie muss weniger Rücksichten nehmen – vor allem aber hat sie das Ziel, das Land mit ihrem Pragmatismus durch die Krise zu bringen. Es ist die schwerste in ihrer Amtszeit, weil es diesmal um Leben und Tod vieler geht. Und man sollte nicht vergessen, die Kanzlerin ist Wissenschaftlerin, das ermöglicht ihr einen anderen, nicht rein politischen Blick auf die Lage.

Aber auch Merkel wird wissen: Dem Druck nach Lockerungen wird sie sich nur schwer widersetzen können. Er kommt vor allem aus einigen Bundesländern, wo die eigentlichen Entscheidungen im Kampf gegen das Coronavirus fallen – der Bund hat dabei vor allem eine koordinierende Aufgabe, die ihm mal mehr, mal weniger gelingt. Was noch schwerer wiegt ist freilich, dass auch die Ungeduld bei den Menschen wächst. Deswegen müssen Länder und Kanzlerin an diesem Mittwoch zumindest eine neue Perspektive entwickeln, wie es in den nächsten Wochen weitergehen soll. Sollte es sogar ein Masterplan werden, umso besser. Jedenfalls wird nur dann die Bereitschaft der Bürger auch weitgehend erhalten bleiben, im Kampf gegen Corona immer noch mitzuziehen.

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