Strategiepapier der Bundesregierung Für die Gleichstellung ist deutlich mehr Druck nötig

In der Verfassung heißt es klipp und klar: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dass die Bundesregierung jetzt eine umfängliche „Gleichstellungsstrategie“ formuliert hat, mutet daher zunächst einmal etwas seltsam an.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

Schließlich ist das Grundgesetz bereits seit über 70 Jahren in Kraft. Doch Anspruch und Wirklichkeit sind eben zwei verschiedene Paar Schuhe. Deshalb handelt die Regierung mit ihrer Initiative grundsätzlich richtig.

Die Flapsigkeit von Ex-Kanzler Gerhard Schröder ist vielen sicher noch in Erinnerung: Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte der SPD-Mann einst „Ministerium für Familie und Gedöns“ genannt. Das entsprach schon damals nicht mehr dem allgemeinen Zeitgeist, obwohl Kitas oder Ganztagsschulen seinerzeit Mangelware waren und manche Frauen bemitleidet wurden, weil sie einer Arbeit nachgingen. Seitdem hat sich zweifellos eine Menge getan. Die Frauenerwerbsquote in Deutschland zählt inzwischen zu den höchsten in Europa. Seit 15 Jahren hat die Republik eine Kanzlerin, und das aktuelle Bundeskabinett ist so weiblich wie noch nie. Wer allerdings näher hinschaut, der wird auch schnell bei den Defiziten fündig. Im Bundestag und in den Landesparlamenten ist nicht einmal jeder dritte Abgeordnete weiblich. Zudem arbeiten Frauen besonders häufig in Teilzeit. Das bringt nicht nur weniger Lohn, sondern später eine deutlich geringere Rente als bei Männern. Die wiederum kümmern sich mittlerweile zwar stärker um den Nachwuchs als früher. Trotzdem ist Familienarbeit immer noch in erster Linie Frauensache, was auch bedeutet, dass Frauen beruflich viel weniger Karriere machen als ihre männlichen Kollegen. Besonders in den Vorstandsetagen ist das weibliche Geschlecht eine seltene Spezies.

Dabei gibt es genügend Studien, die davon zeugen, dass Frauen die Geschäftsergebnisse von Firmen positiv beeinflussen. Betriebe mit gemischten Teams haben eine um 25 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein. So hat es erst kürzlich die Unternehmensberatung McKinsey ermittelt. Dass Firmen den Rat mehr schlecht als recht annehmen, hat auch mit männlich geprägten Netzwerken zu tun, in denen Frauen an eine „gläserne Decke“ stoßen.

Die Frage ist, was dagegen politisch getan wird. Mit ihrer jüngsten Bestandsaufnahme hat die Bundesregierung das Thema zwar wieder auf die Agenda gesetzt. Sie muss aber auch selbst springen. Feste Frauenquoten in Wirtschaft und Politik sind sicher kein Ideal, weil sie auch als Ausdruck mangelnder weiblicher Durchsetzungsfähigkeit interpretiert werden können. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich auf freiwilliger Basis in Betrieben und Institution kaum etwas zum Besseren tut. Also braucht es weiteren Druck. Als Erstes könnte die Regierung feste Quoten auch für Unternehmensvorstände auf den Weg bringen. Dass die Union hier mauert, ist unverständlich. Kennt ihre Führung seit kurzem doch auch keine Berührungsängste bei Frauenquoten für Parteiämter mehr.

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