Corona-Krisenmanagement Verstand einschalten hilft gegen Kontrollverlust

Die Zahl der gemeldeten Corona-Infizierten ist auch am Freitag wieder stark gestiegen. Und wieder macht ein Schreckensszenario die Runde, das man schon aus den Zeiten der ersten Pandemie-Welle in im Frühjahr kennt: Kontrollverlust.

Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

In einem eindringlichen Appell hat Angela Merkel nach ihrem jüngsten Gespräch mit den Oberbürgermeistern davor gewarnt. Droht jetzt tatsächlich ein exponentielles, also unbegrenztes Wachstum der Fallzahlen? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Das zeigt der bunte Strauß von Standpunkten sowohl in der Politik als auch in der Fachwelt. Den Bürgern wird es damit nicht leicht gemacht, die Lage objektiv einzuschätzen.

Die offiziellen Reaktionen auf das Virus-Geschehen sind jedenfalls voller Widersprüche. Für manche ist der Anstieg der Fallzahlen alleiniger Gradmesser der Gefährlichkeit. Andere geben zu bedenken, dass auch die Zahl der schweren Erkrankungen berücksichtigt werden müsse und die der freien Intensivbetten. Wieder andere sagen, dass man die allgemeine Schwelle von 50 Neuerkrankungen auf 100 000 Einwohner als Handlungsauslöser nach heutigem Wissensstand sogar höher ansetzen könnte. Dagegen steht die Mahnung, dass viele Gesundheitsämter eigentlich schon bei einem Schwellenwert von 35 überfordert sind, um die Infektionswege nachzuverfolgen. Und dann ist da noch die begrenzte Labor-Kapazität für Corona-Tests, welche nun auch noch in den meisten Teilen Deutschlands zur Bedingung für einen dortigen Urlaub gemacht werden. Die Liste der Ungereimtheiten ließe sich fortsetzen.

Bund und Länder müssten hier Ordnung schaffen, gemeinsam an einem Strang ziehen. Doch eher ist das Gegenteil der Fall. So oft beide Seiten zuletzt zusammen kamen, ist der Wirrwarr bei den Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung größer geworden. Insofern waren auch von Merkels Beratungen mit den Stadtoberhäuptern keine Wunder zu erwarten. Im Kern wurde eigentlich nur bestätigt, was in den Metropolen, die schon wegen ihrer hohen Bevölkerungskonzentration potenzielle Corona-Hotspots sind, ohnehin bereits praktiziert wird: Alkoholverbote, Sperrstunden, Maskenpflicht im öffentlichen Raum.

Für die Bürger indes ist es sicher hilfreich, auf den gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Alarmismus hilft nicht weiter, Sorglosigkeit aber auch nicht. Je mehr Menschen sich anstecken, desto mehr werden auch eine Krankenhausbehandlung benötigen. Zumal in letzter Zeit auch der Anteil älterer Corona-Infizierter wächst. Zwar ist die Zahl der Intensiv-Patienten derzeit sehr gering, aber sie bildet nur das Geschehen der jüngeren Vergangenheit ab. Auch ihr Anteil wird steigen. So wie bei der ersten Corona-Welle. In dieser Situation hilft schlicht Bewährtes wie Abstand halten und natürlich der Maskenschutz. Das mag für die meisten banal klingen, ist aber besonders bei Jüngeren häufig in Vergessenheit geraten. Sie müssen zum Umdenken gebracht werden. Auch durch mehr öffentlichen Druck. Es wäre ein wirksames Mittel gegen den Kontrollverlust.

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