Wahl der Parteispitze Die SPD braucht noch etwas Zeit für sich selbst

Sicher, das Schaulaufen in der SPD um den Parteivorsitz ist langwierig. 23 Regionalkonferenzen, dann eine Mitgliederbefragung und am Ende noch die formelle Wahl der neuen SPD-Spitze durch den Bundesparteitag.

SPD entscheidet mit Wahl der Parteispitze über politische Richtung
Foto: SZ/Robby Lorenz

Monate gehen ins Land, die man für wichtigere Dinge nutzen könnte: Regieren zum Beispiel. Andererseits braucht die am Boden liegende SPD noch ein wenig mehr Zeit für sich selbst. Zeit für eine echte Richtungsentscheidung. Nichts anderes ist die Mitgliederbefragung zum neuen Parteivorsitz. Vermutlich käme man dafür auch mit der Hälfte der Regionalkonferenzen aus. Aber das ist nicht entscheidend. Wichtig ist vielmehr, dass die Partei zu sich selbst findet und ihre zukünftige Ausrichtung von unten her definiert. Man kann dieser über 150 Jahre alten Partei, die in ihrer Geschichte so viel für Deutschland geleistet hat, nur wünschen, dass sie damit Erfolg hat.

Schon jetzt kann man zumindest positiv bilanzieren, dass die SPD die Kandidatensuche zur Schärfung ihres Profils nutzt. Die Bewerber lenken ihren Fokus wieder stärker auf ureigene Themen der Sozialdemokratie – allen voran auf das Thema der sozialen Gerechtigkeit. Selbst Vizekanzler Olaf Scholz, der bislang eher als personifizierte Groko auftrat, schwenkte zuletzt nach links – indem er sich etwa für die Einführung einer Vermögenssteuer aussprach. Eine stärkere Profilierung tut der Demokratie auch grundsätzlich gut. Denn wenn sich die beiden traditionellen Volksparteien inhaltlich klar unterscheiden, haben die Bürger eine echte Wahl. Freilich bleibt abzuwarten, was am Ende von den Versprechen übrig bleibt, wenn die neue Parteispitze erst einmal gewählt ist. Doch der Druck von der Basis wird in dieser Hinsicht groß sein: Sie wird die Inhalte einfordern, für die sie indirekt gestimmt hat – noch ein positiver Aspekt der Mitgliederbefragung.

Ein wenig merkwürdig mutet dagegen die faktische Festlegung auf eine Doppelspitze an. Hier scheint die SPD krampfhaft den Erfolg der Grünen mit seinem Spitzen-Duo Robert Habeck und Annalena Baer­bock kopieren zu wollen. Die Folge war eine recht unwürdige Partnersuche bei den SPD-Bewerbern. Mangels Alternativen wurde zum Teil auf die vierte oder fünfte Reihe der Partei zurückgegriffen. Ein Beispiel: Olaf Scholz‘ Partnerin Klara Geywitz war bislang selbst in politisch interessierten Kreisen weitgehend unbekannt.

Überhaupt gibt es abgesehen von Scholz keinen einzigen Bewerber aus der ersten Reihe. Das ist auch gar nicht weiter schlimm. Will sich die Partei tatsächlich erneuern, braucht es neue Gesichter. Bedenklich ist aber, dass es auch aus der zweiten Reihe der SPD kaum Bewerber gibt. Dazu zählen von den 17 Kandidaten nur Fraktions-Vize Karl Lauterbach, der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der Chef der Grundwertekommission Ralf Stegner, die Vorsitzende der Partei-Linken, Hilde Mattheis, und Staatsminister Michael Roth. Trotz der Bewerber-Flut ist es also fraglich, ob wirklich jedes Mitglied einen Kandidaten findet, den es aus voller Überzeugung unterstützen kann.

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