Söders durchsichtiger Kohle-Vorstoß Beim Klima muss die CSU raus aus dem Bremserhäuschen

Die CSU stand bislang nicht im Verdacht, ein Vorreiter beim Klimaschutz zu sein. Schlechter noch: Die bayerische Staatspartei sitzt hier im Bremserhäuschen.

 Cathrin Elss-Seringhaus

Cathrin Elss-Seringhaus

Foto: SZ/Robby Lorenz

Zum Beispiel, wenn es um den Bau von Stromtrassen nach Süddeutschland geht. Oder um die Stärkung der Windenergie. Eine besonders restriktive Abstandsregel für Windräder zu Wohngebäuden hat im Freistaat dazu geführt, dass der Ausbau mit Windkraftanlagen in der Flaute steckt. Umso erstaunlicher, dass sich CSU-Chef Markus Söder nun zum Schrittmacher für den vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung stilisiert, um das Klima zu retten. Ein Schelm, wer da an den gesellschaftlichen Stimmungswandel und den Druck der Straße denkt.

Viel zu lange wurden Klimaschützer auch von der CSU belächelt und abqualifiziert – als Spinner oder Schulschwänzer. Die Großdemonstration der Bewegung „Fridays for Future“ und die Aktionen im rheinischen Braunkohlerevier am Wochenende haben jedoch einmal mehr gezeigt, dass der Ruf nach sauberen Energieträgern kein Luxusproblem ist, sondern eine Schlüsselfrage auch für die ganz persönliche Zukunft. So treibt der Umweltschutz mittlerweile zehntausende Menschen auf die Straße. Und das ist gut so, auch wenn manche Aktivisten ihrem Anliegen schaden, indem sie sich des Hausfriedensbruchs und des Widerstands gegen Polizisten schuldig machen. Ihr Ziel deshalb zu verteufeln, wäre töricht und politisch verantwortungslos.

Tatsächlich ist die Ungeduld breiter Bevölkerungsschichten dem politischen So-gut-wie-Nichtstun geschuldet. Wie soll man Schülern erklären, dass Deutschland erst 2038 aus der Kohle aussteigen will, wenn doch bereits im Jahr 1994 ein UN-Rahmenabkommen in Kraft getreten ist, das auf die Verhinderung eines von Menschen gemachten Klimawandels zielt? Mittlerweile haben es fast alle Staaten ratifiziert. Nur passiert ist viel zu wenig. Auch in Deutschland. So betrachtet hat Söder durchaus Recht, wenn er den späten Kohleausstieg mit dem nationalen Klimaschutzziel, die Triebhausgase bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, für unvereinbar hält.

Entscheidend ist freilich, was daraus nun konkret folgt. Im September will die Bundesregierung die politischen Weichen für den drastischen Abbau der schädlichen Emissionen stellen. Dazu liegt schon länger ein Gesetzentwurf des Umweltministeriums vor, der auch von CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer bislang blockiert wird. Wenn es Söder mit seinen Worten ernst ist, muss sich das schleunigst ändern. Ein schnellerer Kohleausstieg kann praktisch nur mit einer saftigen C02-Bepreisung erreicht werden – und einer sicheren Perspektive für die Bergbauregionen. Auch hier sind konkrete Ideen gefragt und keine gebetsmühlenhaft vorgetragenen Bedenken, was alles nicht geht. Bekanntlich will das Klimakabinett, das im April an den Start gegangen ist, auch während der Sommerpause tagen, um zu überfälligen Entscheidungen zu kommen. Dazu muss auch die CSU raus aus dem Bremserhäuschen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort