Neue Schulden in der Corona-Krise Eine Krise ist keine Lizenz für uferlose Kredite

Gleich reihenwiese gehen jetzt alte Gewissheiten in die Binsen. Reisefreiheit und Versammlungsrecht genauso wie die Schuldenbremse im Grundgesetz. Bereits sechs Mal in Folge ist der Bundesfinanzminister gänzlich ohne neue Kredite ausgekommen.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

2020 wäre das siebte fette Jahr geworden. Nun zwingt ein Virus zur Rosskur. Wenn der Bundestag an diesem Mittwoch grünes Licht für dreistellige Milliardenhilfen zugunsten von Unternehmen, Kurzarbeitern, Selbständigen und Familien gibt, dann werden alle Kreditobergrenzen förmlich pulverisiert. Das Land lebt damit ab sofort wieder stark auf Pump. Ein historischer Einschnitt. Doch es gibt keine vernünftige Alternative.

Schon bei früheren Gelegenheiten hieß es, man dürfe der Krise nicht hinterher sparen. In Zeiten von Corona gilt das erst recht. Die aktuelle Notlage erfasst nicht nur Banken oder bestimmte Branchen, sie droht ganze Volkswirtschaften in den Abgrund zu reißen. Eine Rezession ist sicher nicht mehr aufzuhalten. Wie auch, wenn Angebot und Nachfrage nur noch auf kleinster Flamme köcheln? Wahr ist allerdings auch: Je länger der Einbruch dauert, desto schwieriger wird es, aus der Krise wieder heraus zu kommen. Deshalb die gepumpten Milliarden. Sie sollen helfen, wirtschaftliche Strukturen zu erhalten, die Substanz zu sichern. Konjunkturprogramme braucht es womöglich auch noch. Aber erst später.

Manche spotten nun über den „Schuldenkönig“ Olaf Scholz. Aber diese Häme wird weder dem Kassenwart noch der Lage gerecht. Zum Leidwesen der eigenen Genossen hat Scholz die „schwarze Null“ immer ernst genommen und die Schuldenbremse damit sogar übererfüllt. Zumindest eine begrenzte Neuverschuldung wäre nach ihren Regularien nämlich auch schon in normalen Zeiten möglich gewesen. Dass Scholz nicht davon Gebrauch machte, gerade für zusätzliche Investitionen, wurde ihm oft angekreidet. Nun erweist sich sein Kurs der Sparsamkeit und des Schuldenabbaus als großer Vorteil. Für die Krise ist man damit solide aufgestellt. Andere Staaten schien der eigene Schuldenberg schon vor Corona zu erdrücken, sie stehen jetzt vor dem Nichts. Deutschland dagegen hat noch immer viel Luft nach oben.

Wer nun allerdings glaubt, jedweder Mehrausgabe sei jetzt Tür und Tor geöffnet, der irrt. Laut Verfassung lässt sich die Schuldenbremse in einer Notlage nur aussetzen, aber nicht abschaffen. Um wieder in die Spur zu kommen, ist sogar ein Tilgungsplan vorgeschrieben. Merke: Auch eine Krise ist keine Lizenz für uferlose Kredite. Das Geld muss auch wieder zurückgezahlt werden.

Am besten geht das natürlich, wenn die Wirtschaft wieder voll in Fahrt gekommen ist. Vor dem flächendeckenden Einsatz eines wirksamen Impfstoffs gegen Corona ist damit allerdings kaum zu rechnen. Bis dahin gilt es, das Schlimmste zu verhindern. Wirtschaftlich und sozial. Dafür wird der Bundestag nun ein historisch beispielloses Hilfsprogramm auf den Weg bringen. Das Land kann es sich leisten.

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