Nach dem Ukraine-Gipfel Noch viele Stolpersteine bis zum Frieden im Donbass

Voreilige werden nun sogleich eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland fordern, doch ein Pariser Gipfel mit Wolodymyr Selenskyj, Wladimir Putin, Emmanuel Macron und Angela Merkel macht noch lange keinen Frieden.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: SZ/Robby Lorenz

Im Grunde sind die Konfliktparteien jetzt nur so weit, wie sie nach dem zweiten Minsker Abkommen von 2015 schon waren, bevor die Fronten wieder verhärteten. Die einzige Bewegung, die es gibt, ist, dass sie sich erneut versprechen, die damaligen Verabredungen Schritt für Schritt umzusetzen. Und neu ist auch, dass auf der ukrainischen Seite nun mit Selenskyj ein Präsident agiert, der in Russland weniger zum Feindbild taugt als sein Vorgänger.

Ein Gefangenenaustausch hat schon stattgefunden, die Truppenentflechtung und ein Waffenstillstand sollen folgen. Wenn das nicht wieder wie schon so oft von irgendeiner Seite torpediert wird, wären es zu Weihnachten gute Nachrichten für die geschundene Bevölkerung. Aber die größten Stolpersteine kommen danach.

Da ist zum einen die Autonomie der umkämpften Gebiete. Selenskyj scheint diesen Teil der Vereinbarungen jetzt liefern zu wollen, gegen erbitterte Proteste in Kiew. Die Kehrseite der Medaille, die Kontrolle der Außengrenze der dann autonomen Ost-Ukraine zu Russland durch die Ukraine oder durch neutrale Kräfte, ist ein noch schwererer Brocken. Hier muss Putin liefern. Und hier wird sich zeigen, ob Moskau bereit ist, wirklich zu einem Frieden zu kommen. Oder ob es weiter verdeckt Waffen und Kämpfer in die Region schicken will, um den Konflikt am Kochen zu halten. Das ist der Lackmustest, auch für das Ende der EU-Wirtschaftssanktionen. Gut möglich übrigens, dass Deutschland nach einer militärischen Beteiligung gefragt wird, falls der Grenzschutz in der Ost-Ukraine ein internationaler Einsatz wird. Denn mit Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel hat Berlin in dem ganzen Friedensprozess bisher eine herausragende Rolle gespielt. An den Verhandlungstischen. Da wird es sich im Feld nicht verstecken können.

Bevor es so weit ist, gibt es noch tausend Möglichkeiten des Scheiterns und neuer Konflikte, wie die Auseinandersetzung um die Straße von Kertsch gezeigt hat. Von der Krim wird übrigens gar nicht mehr geredet. Deren völkerrechtswidrige Annexion durch Russland muss die Welt wohl schlucken. Und niemand soll nach Paris glauben, man könne Wladimir Putin nun wieder mehr vertrauen, ihn vielleicht gar wieder in den Kreis der G8 aufnehmen. Der mutmaßliche Staatsmord in Berlin, die brutale Niederschlagung friedlicher Proteste im September in Moskau, die fehlende Kooperation bei der Aufklärung des Abschusses von MH-17, die Gräuel in Syrien, ja, letztlich auch das unverhohlene Staatsdoping im Sport – Russland missachtet unter diesem Präsidenten jede Regel. Wenn Putin jetzt einlenkt, dann nur, weil auch seine Seite in der Ost-Ukraine nicht vorankommt, jedenfalls nicht ohne eine offene militärische Intervention. Also aus kaltem Kalkül. Und so behandelt er die ganze Welt.

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