Pro Volles Augenmerk bis zur Bundestagswahl notwendig

In normalen Zeiten würde man wohl sagen, die paar Wochen bis zur Bundestagswahl, was soll‘s. Aber die Zeiten sind wegen Corona leider nicht normal. Und ob bei einem Rücktritt der Verteidigungsministerin oder des Außenministers ein Kabinettskollege beauftragt worden wäre, mach den Job mal mit, muss bezweifelt werden.

Das Familienressort scheint politisch immer noch Gedöns zu sein. Altkanzler Gerhard Schröder lässt grüßen.

Die Entscheidung der SPD-Parteiführung, das Amt nach dem Rücktritt von Franziska Giffey nicht nachzubesetzen, ist in mehrfacher Hinsicht ein schwerer Fehler. Die Genossen zeigen damit ungewollt, wie dünn ihr Personalangebot ist – und dass sie wenig Zutrauen in die Fähigkeiten ihrer eigenen Leute haben. Insbesondere in die sozialdemokratischen Familienpolitiker.

Vor allem aber ist das Vorgehen ein Schlag ins Kontor von Familien und Kindern, die in der Corona-Krise zweifellos besonders gelitten haben. Wie dramatisch die psychischen Folgen des Dauer-Lockdowns für den Nachwuchs sind, haben Experten zuletzt erst deutlich gemacht. Der Verzicht auf Bildung, die Rückschritte bei der Entwicklung, die familiären Probleme, die entstanden sind, das alles wird die Gesellschaft insgesamt zu spüren bekommen. Politisch braucht es daher auch in den wenigen Wochen bis zur Wahl noch volles Augenmerk auf die familiären Folgen der Corona-Krise. Eine Nachbesetzung hätte gezeigt, dass man dies verstanden hat. Chance vertan.

Das hat nichts mit Kritik an Christine Lambrecht zu tun, die nun das Giffey-Ressort zusätzlich übernimmt; die als Justizministerin einen guten Job macht, sich aber nicht mehr profilieren muss, weil sie aus der Politik ausscheidet. Zudem hat Lambrecht bis zur Wahl genug Rechtsfragen bezüglich Corona zu klären. Wie sie da noch wichtige Akzente im Familienbereich setzen will, ist schleierhaft.

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