Staat stützt Wirtschaft mit Millarden Ein ganzes Land hängt an der Lungenmaschine

Diesmal hat es nicht wie 2012 in der Euro-Krise monatelang gedauert, bis der Staat die „Bazooka“ rausholte, die große, panzerbrechende Abwehrwaffe, die die Krise in Schach halten soll. Selbst die finanziell besonders vorsichtigen Deutschen haben diesmal schnell und massiv reagiert, um ihre Wirtschaft zu schützen.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: SZ/Robby Lorenz

750 Milliarden Euro macht Finanzminister Olaf Scholz (SPD) dafür locker, davon 150 Milliarden sofort als echte Mehrausgaben. Wohl dem Staat, der dank guten Wirtschaftens jetzt so viele Rücklagen hat und so viel Bonität an den Finanzmärkten genießt. Und der sein Geld nicht für Steuergeschenke ausgegeben hat.

Das Paket beruhigt – für den Moment. Es kann kleinen Selbstständigen über die nächsten Monate helfen, ebenso Firmen, die in Liquiditätsklemmen geraten. Es kann dafür sorgen, dass der Kreditfluss nicht stockt und dass qualifizierte Arbeitskräfte, die man für den Neuanfang nach der Krise braucht, gehalten werden. Und es kann große Konzerne, die für den Standort Deutschland unverzichtbar sind, über staatliche Beteiligungen sichern. Die Lufthansa zum Beispiel.

Aber all das ist nur so etwas wie die Beatmungsmaschine, die dem Lungenkranken über die schwerste Phase hilft. Ob er dauerhaft genesen wird und wie groß die bleibenden Schäden sein werden, ist ungewiss. Schon der von der Bundesregierung prognostizierte Wirtschaftseinbruch um fünf Prozent wird tiefe Schleifspuren hinterlassen, bei privaten und öffentlichen Investitionen, beim Konsum und in der Arbeitslosenstatistik. Eine ganze Generation von Schülern und Studenten wird es schwerer haben beim Berufseinstieg; größere Lohn- und Rentenerhöhungen wird es eine Zeit lang nicht geben. Der Staat wird anfangen zu knausern.

Was im März, April und Mai verloren geht, lässt sich im zweiten Halbjahr nicht mehr aufholen. Hinzu kommt: Selbst wenn es gelingen sollte, die Pandemie hierzulande zum Stillstand zu bringen – es bleiben dann immer noch Grenzkontrollen und gestörte Handelsbeziehungen zu großen Teilen der Welt, darunter voraussichtlich den USA. Für ein Exportland wie Deutschland ist das Problem nicht gelöst, wenn es daheim gelöst ist. Sondern erst, wenn es global bewältigt wurde. Also erst, wenn der Impfstoff vorliegt.

Dies ist ein Einbruch der Realwirtschaft, von Angebot und Nachfrage gleichzeitig. Die Rückgänge stehen nicht wie in der Finanzkrise auf dem Papier – wobei eine erneute Finanzkrise wegen der gleichzeitigen Überschuldung nahezu aller Staaten als dickes Ende sogar noch hinzukommen kann. Die Menschen sollten das Wirtschaftspaket als das verstehen, was es ist: Eine Überbrückung. Eine Notrettung. Eine erste Hilfe. Ein Versuch, den Ausbruch wirtschaftlicher und sozialer Panik zu verhindern. Dafür könnte es reichen. Niemand aber sollte glauben, noch so viele Milliarden geliehener Euros könnten die negativen Folgen von Corona für den Wohlstand der nächsten Jahre quasi auslöschen. Das wäre eine Illusion.

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