Leitartikel Macrons Kampf ums politische Überleben

Emmanuel Macron präsentiert sich gerne als strahlender Staatenlenker. In diesen Tagen weilte der französische Präsident in China und positioniert sich wieder einmal als Anwalt Europas.

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Foto: SZ/Lorenz Robby

Doch während er im Ausland mit seinem selbstbewusst charmanten Auftreten immer wieder punkten kann, ist die die Realität in der Heimat eine ganz andere. In Frankreich kämpft Macron ums politische Überleben. Dort steht ihm die wohl entscheidende Auseinandersetzung seiner Amtszeit ins Haus: der Staatschef will in den kommenden Monaten das Rentensystem grundlegend reformieren.

Doch die Ausgangslage ist denkbar schlecht. Sein Ruf als Präsident der Super-Reichen haftet ihm wie Pech an den Fersen. Vorbei sind die Zeiten, als dieser Mann etwas anfasste und dabei alles zu Gold verwandelte – im Gegenteil. Auf Druck der sozialen Proteste der Gelbwesten hat er soziale Wohltaten in Milliardenhöhe ausgeschüttet, doch den tiefsitzenden Zorn seines Volkes konnte er kaum lindern. Fast schon verzweifelt sucht Emmanuel Macron inzwischen bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Nähe zur Menge, schüttelt Hände, diskutiert, macht Selfies, doch das Bild von ihm als abgehobenem Politiker ist in den Köpfen der Menschen nicht zu löschen.

Auf der Suche nach einem Ausweg verschiebt Macron nun sogar die sozial-liberale Ausrichtung der von ihm ins Leben gerufenen Bewegung République en Marche. Die Regierung hat einen rigiden Plan präsentiert, die Immigration zu beschränken und zu kanalisieren. Und um seine Tatkraft zu beweisen, wurden nur einen Tag nach der Präsentation der Pläne, das Asylrecht zu verschärfen, mehrere illegale Migrantenlager rund um Paris sehr medienwirksam von der Polizei geräumt. Doch dabei wirken die markigen Ankündigungen der Regierung und des Präsidenten wie bloßer Aktionismus. Im Bereich der Einwanderung ist es ziemlich einfach, mit plakativen Vorstößen zu punkten. Bei den wirklich wichtigen Themen aber, wie der Steigerung der Kaufkraft, der sozialen Absicherung der Schwachen in der Gesellschaft, dem dringend notwendigen Umbau des Gesundheitswesens oder dem Schutz der Umwelt, lassen sich nicht so einfach sichtbare Erfolge erzielen. Dort heißt es, sehr dicke Bretter zu bohren, das ist weniger spektakulär und benötigt vor allem sehr viel Zeit. Der Eindruck entsteht, dass Emmanuel Macron mit diesem demonstrativ rigiden Vorgehen davon ablenken will, dass in den anderen Bereichen die erhofften Veränderungen seiner von ihm immer wieder angekündigten Reformpolitik noch immer auf sich warten lassen.

Und noch eine andere, sehr offensichtliche politische Absicht liegt auf der Hand: Emmanuel Macron will seiner größten Gegnerin, der rechtsradikalen Marine Le Pen, auf deren wichtigstem Terrain Paroli bieten und dort Stimmen sammeln. Damit wählt er einen ähnlichen Weg, wie ihn einst der damalige Präsident Nicolas Sarkozy gegangen ist. Der hatte damit allerdings wenig Glück – Sarkozy verlor am Ende die Wahl gegen den Sozialisten François Hollande.

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