Nach der US-Wahl Das rätselhafte Verhalten des Egomanen Trump

Zwei Wochen nach dem Wahltag hat Donald Trump weder seine Niederlage offiziell und ohne Einschränkungen eingestanden noch dem Wahlsieger Joe Biden gratuliert. Stattdessen hat der immer irrationaler agierende US-Präsident seine engsten Mitarbeiter angeordnet, alles für eine zweite Amtszeit vorzubereiten.

Leitartikel zu Trumps Verhalten seit der Wahl: Der Egomane
Foto: SZ/Robby Lorenz

Und noch immer rätseln die Nation und der Rest der Welt, was hinter dem Verhalten Trumps steckt. Ist es lediglich der Wutausbruch eines Jähzornigen, der seinen Willen nicht bekommen hat? Glaubt Trump tatsächlich noch an einen Sieg, den ihm seine vor einer unlösbaren Aufgabe stehenden Anwälte verschaffen sollen? Oder steckt hinter der Verweigerung des Präsidenten, die unübersehbare Realität anzuerkennen, eiskaltes Kalkül – wie etwa mit dem Versuch, durch anhaltendes Spendensammeln für den Kampf gegen den „Wahlbetrug“ (Trump) eine zweite Kandidatur im Jahr 2024 vorzubereiten?

Nur ein einziger Mensch kennt die Wahrheit. Also bleiben erst einmal nur Spekulationen. Glaubt man Berichten von Insidern, ist der Präsident ein isolierter Mann, der an einen Despoten erinnert, der sich verzweifelt in einem Bunker verbarrikadiert und hofft, dass seine Gegner nicht irgendwann die Tür aufsprengen. Der Schaden, der dabei von dem Egomanen angerichtet wird, ist noch gar nicht abzuschätzen. Trump verweigert nicht nur die Kooperation für einen reibungslosen Übergang im militärischen Bereich, sondern auch bei der größten Herausforderung für Biden: der Eingrenzung der Corona-Pandemie. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Trump in den letzten Monaten nicht ein einziges Mal mit seiner Corona-„Taskforce“ zusammentraf.

Biden dürfte deshalb mit seiner Bemerkung vom Montag recht haben: Das Verhalten des amtierenden Präsidenten könnte zusätzliche Menschenleben kosten. Denn bei der Verteilung der Impfstoffe, die auch in die ersten Dienstwochen Bidens fallen dürfte, kommt es auf Organisation, Infrastruktur und Tempo an. Diese Folgen nimmt Trump anscheinend achselzuckend in Kauf – ohne sich bewusst zu sein, wie er damit seine weitgehend glanzlose Amtszeit und sein Bild im Rückblick der Geschichtsschreiber weiter beschädigt. Vielleicht ist es auch nur die Furcht vor der Zukunft, die ihn in einen anhaltenden Status der Selbstverleugnung getrieben hat. Zwar hat Trump weiter eine kultähnliche Anhängerschaft. Doch die wird ihm nicht bei den wartenden Herausforderungen helfen, wenn er am 20. Januar ausziehen muss: Strafrechtliche Ermittlungen, Zivilklagen und ein enormer privater Schuldenberg. Die meisten Menschen, die seine Nähe aus Machtkalkül gesucht hatten, dürften keinen Anreiz mehr dafür haben. Und sein einstiger Haussender Fox News hat bereits das Projekt Distanzsuche begonnen.

„Ich weiß, dass man manchmal das Handtuch werfen muss“, schrieb Trump einst in seinem Buch „Think like a Champion“ in einem seltenen Moment der Klugheit und Einsicht. Deshalb möchte man ihm zurufen: Der Zeitpunkt dafür ist längst überschritten.

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