Leitartikel zu Moskau-Reise Beim Iran treffen sich Merkels und Putins Interessen

Wladimir Putin zu Gast bei Baschar al-Assad, Wladimir Putin zu Gast bei Recep Tayyip Erdogan. Die Krise im Iran hat den Kreml schnell aus den Winterferien zurückkommen lassen. In dieser kritischen Zeit reist auch Kanzlerin Angela Merkel nicht etwa nach Washington, sondern am heutigen Samstag nach Moskau.

 Inna Hartwich

Inna Hartwich

Foto: SZ/Robby Lorenz

Von Putin eingeladen.

Russlands Art von Diplomatie, die auf reine Machtpolitik setzt, vor militärischer Kraft und auch Skrupellosigkeit nicht zurückschreckt, ist derzeit recht erfolgreich. Moskau, nach der Annexion der Krim noch isoliert, ist längst zu einem Vermittler avanciert. Berlin weiß um die Einflussmöglichkeiten der Russen im Iran, Moskau hofft auf Beeinflussung der US-Amerikaner durch die Deutschen. Im Nahen Osten hat sich Russland als Machtfaktor etabliert und sortiert nun, zusammen mit der Türkei, auch in Nordafrika die Verhältnisse neu. In Syrien hat Moskau den sunnitischen Golfstaaten, den USA und der EU die Grenzen aufgezeigt und Ankara bewegen können, Assad, den eigentlichen Feind der Türken, als Herrscher anzuerkennen.

 Ähnliches versucht es nun in Libyen. Obwohl Moskau den aufständischen General Chalifa Haftar unterstützt und Ankara die von der UN anerkannte Regierung von Fajis al-Sarradsch, machen die Zerstrittenheit innerhalb der EU und die Inaktivität der USA die beiden Kontrahenten zu zentralen Spielern im öl- und gasreichen Land. Sie, die den Konflikt mitbefeuern, geben sich gleichzeitig als Konfliktlöser. Die Waffenruhe, die ab Sonntag in Libyen gelten soll, ist eine Initiative von Putin und Erdogan. „Fehler der anderen erkennen und sie für sich nutzen“, ist eine Methode des Taktikers Putin. Ein Stratege war der Kreml-Chef noch nie.

 Russland knüpft seine Verlässlichkeit nicht an Werte und Ideologien, Russland geht es um reine Interessenpolitik. Die Autokraten im Nahen und Mittleren Osten sind Moskau dafür dankbar, weil es vor allem eines garantiert: die Erhaltung ihres Status quo.

Europa weiß um die Fragilität solcher Erfolge, die auf Aushandlung von Deals mit mehreren, teilweise verfeindeten Mächten, basieren. Da es aber (noch) keine eigene Strategie hat, setzt es auf Russlands Hilfe. Merkel reist mit Außenminister Heiko Maas nach Moskau. Bereits beim Ausstieg der Amerikaner aus dem Atomabkommen mit dem Iran waren sich Berlin, Paris und London mit Moskau darin einig, an der Vereinbarung festzuhalten. Auf Deeskalation hofft die Bundesregierung auch jetzt. Die Beruhigung der Lage ist etwas, worauf auch der Kreml setzt. Denn Regimewechsel – darauf könnte es bei einer Verschärfung des Konflikts im Iran hinauslaufen – sind etwas, wovor sich Russland fürchtet. Seine Rolle als Regimewechsel-Verhinderer Nummer Eins will Moskau nicht aufgeben.

Deutschland sollte auf diese Haltung vorsichtig reagieren. Russland mag auf autokratische Regime überzeugend wirken, weil es deren Züge in sich trägt. Ohne Verpflichtungen und Verantwortung funktioniert aber kein Frieden. Moskau hat zuletzt leider zu oft gezeigt, dass seine Verlässlichkeit darin liegt, unzuverlässig zu sein.

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