Leitartikel: Hanau und die Konsequenzen Freiheit und Sicherheit, das große Spannungsfeld

Der übliche Reflex immerhin ist ausgeblieben. Angesichts der mörderischen Tat eines wahnsinnig anmutenden Rechtsterroristen hält sich der Ruf nach neuen und strengeren Gesetzen stark in Grenzen.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

Anders als bei früheren Schreckensereignissen dieser Art. Das zeugt von einem politischen Lernprozess. Gesetze sind kein Universalmittel im Kampf gegen Hass und Hetze, die den Nährboden für Morde aus rassistischen Motiven bilden. Zugleich ist der Rechtsstaat gegen die braune Militanz aber auch nicht wehrlos.

Mochte er lange Zeit auf dem rechten Auge blind gewesen sein, so gab es spätestens nach der kaltblütigen Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke Mitte des vergangenen Jahres eine Zäsur. Verfassungsschutz und Bundeskrimanalamt bekommen mehr Personal, rechtsterroristische Gruppen wie „Combat 18“ wurden verboten. Und es gab auch gesetzliche Nachschärfungen. Der weit verbreitete Widerstand in der deutschen Gesellschaft gegen schärfere Sicherheitsbestimmungen gehört allerdings auch zur Wahrheit. Denn Freiheit und Sicherheit sind gelinde gesagt ein großes Spannungsfeld.

Als die Bundesregierung kürzlich das Waffenrecht neu regelte, fühlten sich Sportschützenvereine unter Generalverdacht gestellt. Vor allem im Hinblick auf die neu eingeführte Regelanfrage beim Verfassungsschutz, um zumindest den legalen Waffenbesitz potenzieller Verfassungsfeinde einzudämmen. Dabei empfinden es wohl die allermeisten von uns als normal, dass sich jeder Fluggast einem Sicherheitscheck unterziehen muss. Hier spielt der „Generalverdacht“ also praktisch keine Rolle, wird der Eingriff ins Persönlichkeitsrecht sogar als vernünftig empfunden. Merke: Nicht jede staatliche Maßnahme ist die große Entrüstung wert, die sich zuweilen daraus entfaltet. Im konkreten Fall muss man auch die Frage stellen, warum Sportschützen ihre Waffen nach Hause mitnehmen können, anstatt sie im Verein lassen zu müssen. Wenigstens wäre dort eine bessere Kontrolle gegeben. Und potenziellen Mördern würde das Handwerk erschwert. Auch als jüngst das Gesetz zur strengeren Verfolgung von Hetzern im Netz vorlag, war der Aufschrei wegen des Datenschutzes groß. Diese Debatte überlagerte klar den Gewinn an Sicherheit, den die neuen Bestimmungen mit sich bringen. Oft sind es dann auch die gleichen Personen, die einerseits eine konsequente Bekämpfung rechtsextremer Umtriebe im Internet einfordern, anderseits aber, wenn es konkret wird, vor dem „großen Lauschangriff“ warnen. Das passt nicht zusammen.

Mindestens genauso wichtig wie wirksame Gesetze ist freilich ein gesellschaftliches Klima, in dem Hass und Hetze keine Chance haben. Die rechtpopulistische AfD taugt hier nur bedingt als Ursache allen braunen Übels. Als die neonazistische Terrorvereinigung NSU mordend durchs Land zog, gab es diese Partei noch gar nicht. Der Schoß war also vorher fruchtbar noch, aus dem das kroch. Insofern bedarf es vielleicht doch noch eines neuen Gesetzes – um endlich auch die Präventionsarbeit wirksam voranzubringen.

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