Leitartikel Was Bernie Sanders und Donald Trump verbindet

Bernie Sanders mag es nicht, mit Donald Trump verglichen zu werden. Und es stimmt ja auch, nicht nur inhaltlich liegen Welten zwischen dem linken Senator und dem Präsidenten, der zwar gern den Arbeiterführer gibt, in der Sache jedoch verlässlich die Interessen reicher Amerikaner vertritt.

 Herrmann Frank

Herrmann Frank

Foto: SZ/Robby Lorenz

Auch was den Stil angeht, ist Sanders, der bisweilen zwar zornige, jedoch nie persönlich beleidigende Volkstribun, das Gegenteil eines chronisch eitlen Mannes, der jeden, der ihm widerspricht, durch persönliche Attacken niederzumachen versucht. Und doch: Im Jahr 2020 ist Sanders das, was Trump im Jahr 2016 war.

Im Vorwahlkampf der Demokraten scheint er seinen Kontrahenten genauso zu enteilen wie damals Trump – in einer ähnlichen Phase des republikanischen Bewerberrennens. Holt er auch nächste Woche am „Super Tuesday“ – relativ gesehen – die meisten Stimmen, kann er sich fast schon zum Sieger ausrufen lassen. Ebenso verzweifelt, wie die Parteigranden der Konservativen vor vier Jahren den populistischen Seiteneinsteiger auszubremsen versuchten, versuchen etablierte Demokraten daher den Durchmarsch eines knorrigen Rebellen zu stoppen.

Die Konstellation erklärt eine gewisse Panik, die wiederum erklärt, warum die Kandidatendebatte diese Woche in South Carolina die garstigste überhaupt in diesem Wahlzyklus war. Der gereizte Ton, die scharfen Attacken, die Weigerung, den anderen ausreden zu lassen: Den Parteifreund oder die Parteifreundin zu beschädigen, scheint im Moment wichtiger zu sein als das Skizzieren von Programmen, mit denen man Trump herausfordern will. Und da Sanders an der Spitze liegt, greifen ihn seine Rivalen kollektiv an. Allein der Automatismus, mit dem der Rest des Feldes auf den Führenden losgeht, in der Hoffnung, dass er Federn lässt, muss irritieren. 

Gewiss, der härteste Richtungsstreit seit Jahrzehnten geht mit kontroversen Diskussionen einher, anders kann es gar nicht sein. Doch die düsteren Worte, mit denen ein Michael Bloomberg oder ein Pete Buttigieg vor Sanders warnt, fast so, als drohe Amerika ein revolutionärer Umsturz, spielen am Ende nur dem Präsidenten in die Hände.

Setzt sich Sanders im demokratischen Wettstreit durch, werden sich die anderen um ihn scharen müssen, so schwer es den Moderaten auch fallen mag. Ja, es handelt sich um eine Partei, deren Mitglieder nach europäischen Maßstäben in mindestens zwei, wenn nicht drei Parteien organisiert wären, in Deutschland etwa in der SPD, bei den Grünen und wohl auch in der CDU. Nur wird sich vorläufig nichts ändern am Anspruch der US-Demokraten, ein „Big Tent“ zu bilden, jenes sprichwörtliche große Zelt, in dem sich Anhänger verschiedener ideologischer Richtungen versammeln können – und auch Leute, die von Ideologie nicht viel halten. Die schon jetzt lancierte Idee, Sanders auf dem Nominierungskongress im Juli durch raffinierte Manöver noch irgendwie auszubooten, liefe auf ein Fiasko hinaus. Die Basis würde aufbegehren, die Risse würden noch tiefer, das Chaos wäre perfekt. Es wäre erst recht eine Steilvorlage für Donald Trump.

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