Leitartikel Warum Irans Rache relativ gemäßigt ausfällt

Nach dem Vergeltungsschlag Teherans gegen US-Luftwaffenbasen im Irak sollte eigentlich eine neue Eskalationsstufe drohen. Doch viel spricht dafür, dass das Gegenteil der Fall ist.

Leitartikel: Warum Irans Rache relativ gemäßigt ausfällt
Foto: SZ/Robby Lorenz

Bei den iranischen Raketenattacken ist offenbar – Spekulationen zufolge von den Mullahs durchaus beabsichtigt – kein einziger GI zu Schaden gekommen. Also stehen Washington und der gerne mit den Muskeln spielende Donald Trump jetzt auch nicht unter dem Zugzwang massiver Vergeltung, um Wort zu halten. Die wahre Botschaft Teherans, das mit den wenig effektiven Raketen reagierte, scheint der Wunsch nach Entspannung zu sein, weil man in einem ausgeweiteten Konflikt nur verlieren kann. Dafür würden auch die Aussagen des iranischen Außenministers Mohammed Sarif sprechen, der gestern versicherte, man strebe keine Eskalation oder Krieg an.

Gleichzeitig haben die Schuldzuweisungen eine neue Dimension erreicht. Für die US-Demokraten und Kritiker aus dem linken (und rechtsextremen) Spektrum in Europa ist Trump nach der Eliminierung Soleimanis am Freitag der eigentliche Bösewicht. Zugleich wird auch eifrig die Angst vor einem dritten Weltkrieg geschürt, für den es bisher kein einziges überzeugendes Indiz gibt. Weder Russland noch China oder Japan würden sich in die Auseinandersetzung zwischen den USA und Teheran aktiv einschalten, von den konfliktscheuen Europäern – allen voran Berlin, Paris und London – und den zuletzt besorgten Israelis ganz zu schweigen. Und Donald Trump – der einst angetreten war, um „endlose Kriege“ zu beenden – will im Wahljahr keinen neuen Konflikt auf großer Bühne, weil dies auch der Wirtschaftslage im Land schaden würde. Alles nur Panikmache also mit Blick auf eine weltweite Auseinandersetzung.

Unterdessen muss sich der US-Präsident allerdings weiter die Frage gefallen lassen, welches Ziel er in der Iran-Krise eigentlich anstrebt. Es ist freilich durchaus eine arglistige Frage, denn angesichts der instabilen Lage lassen sich  Strategien schwerlich festlegen. Und, um ehrlich zu sein: Ganz gleich was Donald Trump auch sagen würde, seine Gegner würden es immer dankbar gegen ihn ausschlachten. Deshalb hat der US-Präsident kürzlich auch dementiert, er wolle einen Regimewechsel in Teheran – was grundsätzlich ein durchaus akzeptables Ziel wäre. Am einfachsten lassen sich die Absichten des US-Präsidenten wohl so resümieren: zu verhindern, dass der Iran und seine ferngesteuerten Milizen weitere Opfer auch auf amerikanischer Seite fordern. Und zu erreichen, dass sich der Terror-Exporteur und Atomwaffen-Bastler Teheran nach Jahren klar gescheiterter westlicher Beschwichtigungs-Politik endlich mäßigt. Unterm Strich hat der US-Präsident, was gerne ignoriert wird, mit der Tötung Soleimanis lediglich die Konsequenzen aus den zahlreichen Versäumnissen der Vergangenheit gezogen. Und dafür wird der Präsident vor allem kritisiert, weil er Trump heißt.

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