Leitartikel Verwundbar, aber fest verankert im Parteiengefüge

Viel schlechter als derzeit könnte es für die AfD eigentlich kaum laufen. Schwere parteiinterne Querelen, programmatische Probleme und stagnierende Umfrage-Werte bereiten den Rechtspopulisten seit Monaten Kopfzerbrechen.

 Gerrit Dauelsberg

Gerrit Dauelsberg

Foto: SZ/Robby Lorenz

Das müsste die Konkurrenz jetzt nutzen. Doch paradoxerweise zeigt sich gerade in der jetzigen Situation auch, wie stabil sich die AfD inzwischen im Parteiengefüge verankert hat: Trotz der massiven Probleme müssen die Rechtspopulisten nicht fürchten, ganz von der Bildfläche zu verschwinden – anders als noch vor wenigen Jahren die Piratenpartei. Glaubt man den Umfragen, halten immerhin rund zehn Prozent der Wähler der Partei die Treue.

All diejenigen, die unzufrieden sind mit den etablierten Parteien, die sich abgehängt fühlen und/oder weniger Ausländer wollen, haben in der AfD eine politische Heimat gefunden. Das reicht der Partei als stabile Basis. Hatten es rechte Kräfte aufgrund der Nazi-Vergangenheit jahrzehntelang schwer in Deutschland, ist dieser Damm spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015 gebrochen. Zumal es die AfD versteht, sich mit Führungsfiguren wie dem ehemaligen Professor Jörg Meuthen ein Deckmäntelchen der Bürgerlichkeit umzulegen. Wer sich selbst nicht als rechtsradikal definiert, tut sich mit der AfD leichter als etwa mit der NPD. So schwer es auch fällt, die etablierten Parteien müssen sich langfristig mit der Präsenz der AfD in der politischen Landschaft abfinden. Um sich ihr jedoch energisch entgegenzustellen, braucht es bessere Stategien als bisher. Es reicht nicht, rechtsradikales Gedankengut zu brandmarken – das hat die AfD-Wähler auch in der Vergangenheit nicht abgeschreckt. Immerhin kam ein Rassist wie Björn Höcke als Spitzenkandidat in Thüringen auf 23,4 Prozent. Verwundbar ist die AfD stattdessen auf programmatischer Ebene. Gerade hier zeigen sich ihre eklatanten Schwächen. Das Leib- und Magenthema Flüchtlingspolitik ist angesichts der Corona-Krise in den Hintergrund gerückt. Damit steht die AfD, die auf fast keinem anderen Politikfeld Substanzielles beizutragen hat, programmatisch nackt da. Im Umgang mit der Pandemie tut sie sich schwer, eine einheitliche Position zu finden – auch wenn sich zunehmend eine Strömung durchzusetzen scheint, die gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen wettert. Dagegen steht allerdings die überwältigende Mehrheit der Deutschen weiter hinter den Einschränkungen. Auf diese Weise verliert die Partei bei Wählern an Boden, die sich einen starken Staat wünschen – und den sie während der Flüchtlingskrise 2015 vermisst haben. Davon profitiert wiederum die Union. Auch deshalb ist die AfD derzeit weit weg von den bundesweit bis zu 18 Prozent, die ihr Umfragen zeitweise beschieden. Innerparteiliche Streitigkeiten treten nun offener denn je zutage – auf Bundesebene, aber nicht zuletzt auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und dem Saarland. Allesamt Länder, in denen die AfD vergleichsweise schwach ist. Und so sind zumindest auf regionaler Ebene schwere Dämpfer für die Rechtspopulisten denkbar. Auf mehr können ihre Gegner kaum hoffen.

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