Leitartikel Verkehrte Welt für die fleißigen Sparer

Es ist schon ein Jammer: Was einst als große Tugend galt, droht immer mehr zur Farce zu werden. Das Sparen. Millionen brave Bundesbürger haben viele Milliarden angelegt, für die sie kaum oder gar keine Zinsen mehr bekommen.

Leitartikel: Verkehrte Welt für die fleißigen Sparer
Foto: SZ/Lorenz, Robby

So manches Altersversorgungskonzept hat sich deshalb schon in Luft aufgelöst. Und nun geht auch noch das Gespenst des Negativzinses um. Wer spart, müsste also sogar noch draufzahlen, anstatt von seiner Geldanlage zu profitieren. Verkehrte Welt. Da werden viele sicher froh sein, dass sich kein geringerer als der Bundesfinanzminister darum kümmern will, diese Welt wenigstens wieder ein bisschen gerade zu rücken. Olaf Scholz, zugleich SPD-Vize und prominentester Bewerber um den Genossen-Vorsitz, lässt jetzt prüfen, ob Banken dazu verdonnert werden können, Kleinsparern nicht auch noch drohende Strafzinsen aufzubrummen. Sonderlich viel Hoffnung sollte man darauf allerdings nicht verwenden.

Bekanntlich ist die D-Mark schon seit langem vom Euro abgelöst worden. Geldpolitik wird also nicht mehr national gemacht, sondern europäisch. Bereits daran lässt sich erkennen, dass sich Scholzens Ankündigung wohl eher als Totgeburt entpuppen wird. Vielmehr leiten den Kassenwart politisch-taktische Motive. Schließlich hat CSU-Chef Markus Söder die Forderung nach einem Strafzinsverbot für alle Spareinlagen bis 100 000 Euro aufgebracht. Da will die SPD nicht zurückstehen, zumal in wenigen Tagen wichtige Landtagswahlen im Osten anstehen. Dass sich der Staat zum Banker aufschwingt, erinnert bei nüchterner Betrachtung übrigens tatsächlich an die DDR. Dort gab es einen festen Einheitszins auf alle Spareinlagen, völlig losgelöst vom wirtschaftlichen Umfeld. Auch das ist ein Grund dafür, dass die private Vermögensbildung in den neuen Ländern bis heute der in den alten Ländern stark hinterher hinkt.

Anstatt sich hoffnungslos zu verkämpfen, sollte die Bundesregierung besser überlegen, wie sich Sparern wirklich helfen lässt. Denn der Staat verdient ja prächtig am Null- bis-Negativzins-Niveau. Wer ihm Geld borgt, macht schon jetzt Verluste. Umgekehrt könnte der Staat mit der Zinsersparnis, die sich besonders in den letzten Jahren zu stattlichen Milliarden-Gewinnen aufgetürmt hat, beispielsweise die Riester-Förderung stärken oder einen Pensionsfonds auflegen, wie es ihn in Norwegen gibt.

Nach Lage der Dinge werden sich die Sparer aber wohl selbst helfen müssen. Dazu gehört schon jetzt, sich eine andere Bank zu suchen, wenn das angestammte Geld­institut besonders kräftig an der Gebührenschraube dreht. Denn letztlich ist das auch eine Art negativer Zins. Und dazu gehört die Einsicht, dass traditionelle Anlagen wie Sparbücher oder Bausparverträge praktisch gar nichts mehr abwerfen und man sich deshalb wohl auch stärker mit unsicheren Anlagen wie Aktien oder Aktienfonds vertraut machen sollte. Langfristig haben viele von ihnen zu ansehnlichen Renditen geführt. Hier ist Deutschland noch ein Entwicklungsland.

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