Leitartikel Nicht nur der Hahn ist im Sinkflug

Meinung · Die Nachricht mag für viele überraschend gekommen sein: Der irische Billigflieger Ryanair will seine Basis auf dem Hunsrück-Flughafen Hahn aufgeben. Grund sind angeblich festgefahrene Verhandlungen mit den Gewerkschaften, die nicht bereit seien, die von Ryanair geforderten Lohnkürzungen zu akzeptieren.

 Rolf Seydewitz

Rolf Seydewitz

Foto: SZ/Robby Lorenz

Mag sein, dass die Gehaltsstreitigkeiten zwischen der Airline und der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit tatsächlich der berühmte Tropfen sind, der nun das Fass zum Überlaufen brachte. Der Grund, warum Ryanair dem Hahn mit dem angekündigten Teil-Rückzug nun die Flügel erneut stutzt, sind sie jedenfalls nicht – allen Beteuerungen der Verantwortlichen zum Trotz.

Die unter ihrem für publikumswirksame Auftritte bekannten Chef Michael O’Leary groß gewordene Airline hat auf dem ehemaligen amerikanischen Stützpunkt schon vor längerer Zeit den Rückzug eingeläutet. Die Zahl der dort stationierten Maschinen wurde schon in der Vergangenheit reduziert, die Zahl der Ryanair-Flüge und -Passagiere auf dem Hahn sinkt von Jahr zu Jahr. Am Mittwoch hoben gerade einmal vier Ryanair-Flieger vom Hunsrück ab; zu Hochzeiten waren es Dutzende am Tag.

Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Reiseeinschränkungen mögen den Sinkflug des Passagierflughafens Frankfurt-Hahn beschleunigt haben. Doch ausgelöst haben sie ihn nicht. Es mag tragisch sein, doch mit der iririschen Fluggesellschaft Ryanair wendet sich nun ausgerechnet die Airline vom Hahn ab, die ihn einst – mit kräftiger finanzieller Unterstützung der rheinland-pfälzischen Landesregierung – bei der Umwandlung von einem militärischen zu einem zivilen Flugplatz groß gemacht hat.

Indem die Iren ihre Strategie geändert haben und inzwischen auch von den einst verpönten Quasi-Nachbarflugplätzen Köln/Bonn, Frankfurt und Luxemburg starten, haben sie selbst den Hahn in die Zange genommen und erschweren ihm nun das Überleben, auch wenn sie noch ein paar Jahre dort starten und landen sollten.

Ob die Ryanair-Konkurrenz, eine Start- und Landeerlaubnis rund um die Uhr oder eine noch stärkere Konzentration auf das Cargogeschäft den Hahn am Ende retten können, ist fraglich. Die Wettbewerbssituation auf dem Luftverkehrsmarkt ist groß, und es gibt in einem relativ kleinen Radius zu viele Flugplätze, die sich untereinander Konkurrenz machen. Hinzu kommt, dass Corona das Reisen nicht nur derzeit stark ausgebremst hat, sondern auf absehbare Zeit weiter einschränken dürfte. Hinzu kommt, dass in breiten Schichten der Bevölkerung das ökologische Bewusstsein wächst und das „Komm-wir-fliegen-schnell-mal-nach-Egalwo“ längst nicht mehr so schick ist wie vor ein paar Jahren.

Das alles lässt die Zukunftsaussichten für die Airlines, Flugzeugbauer oder Flughafenbetreiber nicht gerade rosig erscheinen. Davon ist nicht nur der Hahn betroffen.

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