Corona In der Krise ein Anflug staatlicher Überheblichkeit

Vor einer Woche verkündete Kanzlerin Angela Merkel nach einer Beratung mit den Ländern per Pressekonferenz die Ausgangsbeschränkungen. Und sie sagte, dass so etwas keinem Politiker in der Demokratie leicht falle.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: SZ/Robby Lorenz

Mindestens zwei Wochen würden die neuen Regeln dauern.

Diese zwei Wochen sind längst nicht um. Trotzdem teilt nun Kanzleramtsminister Helge Braun mit, dass vor dem Ende der Osterferien nicht an Lockerungen zu denken sei. Und zwar en passant per Zeitungsinterview. Mit Verlaub: Ein besserer Staatssekretär verordnet 80 Millionen Deutschen mal eben zwei zusätzliche Wochen Ausgangssperre. Das ist keine angemessene Kommunikation. Sie wird, wenn sie so fortgesetzt wird, Abwehr und Auflehnung hervorrufen.

Vor einer Woche war es richtig, dass der Staat sich entschlossen und stark präsentierte. Zu viele hatten den Ernst der Lage nicht verstanden. Nun aber, da sich die allermeisten Menschen geradezu vorbildlich an die Regeln halten, scheinen manche der Verantwortlichen zu glauben, sie hätten Erklärungen nicht mehr nötig. Vielleicht haben sich manche auch an ihre neue Machtvollkommenheit gewöhnt. Einige wollen sich sogar damit profilieren. Einem solchen Denken muss genauso Einhalt geboten werden wie den Corona-Partys von Uneinsichtigen.

Es ist mit dem Ziel der Verlangsamung der Infektionsrate jedenfalls nicht zu erklären, wenn in Urlaubsregionen alle ihre Zweitwohnungen verlassen müssen, obwohl gerade ältere Menschen dort besser aufgehoben sind als in den Großstädten. Oder wenn sich sogar einzelne Landkreise, wie in Brandenburg geschehen, zur touristischen Sperrzone erklären, bis hin zur Kontrolle von Ausflüglern auf Radwegen. Ebenso, wenn Paare, die allein auf einer Parkbank am See sitzen, von dort vertrieben werden, weil sie sich gerade nicht bewegen. Hier geht es nicht um das alte Totschlagargument „Wenn das alle machen würden“. Wenn das alle machen, also zu viele, kann die Polizei immer noch einschreiten. Wenn nicht, sollte sie die Menschen in Ruhe lassen.

Außerdem: Auch die Bürger erwarten etwas vom Staat. Das Wirtschafts- und Finanzpaket war eindrucksvoll, aber was wird getan, um die Menschen mit Schutzmasken zu versorgen? Viele würden sie jetzt anlegen. Warum werden die öffentlichen Verkehrsmittel nicht viel öfter desinfiziert? Warum gibt es keine einheitlichen Abgabemengen begehrter Produkte in Drogerien und Supermärkten? Wann gibt es genug Tests?

Für alle ist alles neu. Kein Vorwurf an die Verantwortlichen, wenn Fehler passieren oder wenn es Mängel gibt. Die Lage ist aber umgekehrt auch kein Grund für staatliche Überheblichkeit. Der Staat ist gegenüber den Bürgern in der Bringschuld, die massiven Einschränkungen immer wieder zu begründen. Und immer wieder zu beweisen, dass er alles tut, um sie so schnell wie möglich wieder aufheben zu können. Nicht umgekehrt.

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