Leitartikel Es muss Schluss sein mit den Schuldzuweisungen

Nach einem Jahr Corona-Pandemie liegen die Nerven in den Regierungen von Bund und Ländern offenbar blank. Zwischen der Bundesregierung und den Ländern hat angesichts des schwindenden Vertrauens in das Krisenmanagement ein unschönes „Blame Game“ begonnen: Für Fehler beim Impfen und Testen wird jeweils die andere Seite verantwortlich gemacht.

Da in der föderalen Republik stets 16 Ministerpräsidenten gegen eine Bundesregierung auftreten können, zieht diese im öffentlichen Schaukampf oft den Kürzeren. Doch die Wahrheit liegt meistens irgendwo in der Mitte. Den Bürgerinnen und Bürgern bringen Schuldzuweisungen nichts. Für sie ist es einerlei, welche Ebene die Probleme löst. Sie sollen nur, bitteschön, so schnell wie möglich gelöst werden, damit diese nicht enden wollende Krise endlich in den Griff kommt.

Erstaunlich spät haben Bund und Länder erkannt, dass nicht allein der Lockdown und die Hygieneregeln, sondern am Ende nur das flächendeckende Impfen und Testen aus dieser Krise führen. Gab es bisher nicht genügend Impfstoff, so wird sich das in wenigen Wochen komplett geändert haben. Dann wird es darum gehen, die Infrastruktur vor Ort so aufgestellt zu haben, dass stets genügend zu Impfende für die wartenden Spritzen bereitstehen. Das ist originäre Aufgabe der Kommunen und der Länder. Wenn die Impfstrategie vor Ort nicht rund läuft, sind dafür nicht (mehr) der Bundesgesundheitsminister oder die EU verantwortlich zu machen. Man erinnere sich daran, dass die Länder darauf bestanden hatten, die Impfstrategie in eigener Regie zu übernehmen. Jens Spahn war zuständig, als es darum ging, den Impfstoff zu beschaffen. Ihm können hier sicher Fehler zugeschrieben werden, aber darauf immer wieder hinzuweisen, wie es manche Ministerpräsidenten tun, bringt den Bürgern nichts. Es soll wohl von eigenen Versäumnissen ablenken.

Auch beim Testen ist das „Blame Game“ in vollem Gange. Klar, Spahn sind auch hier schlimme Fehler unterlaufen. Er ist zu spät aktiv geworden und hat dann völlig übereilt kostenlose Schnelltests für alle bereits ab 1. März angekündigt, obwohl das Vorhaben in der Kürze der Zeit nicht zu realisieren war. Nun aber soll es am 8. März so weit sein, mithin nur wenige Tage später. Schnelltests und Eigentests seien in der kommenden Woche ausreichend vorhanden, versichert Spahn. Trotz des rapiden Vertrauensverlusts in den Minister gibt es keinen Grund, ihm das nicht zu glauben.

Es ist nun wiederum die Aufgabe von Ländern und Kommunen dafür zu sorgen, dass die flächendeckende Test-Infrastruktur unter Einbeziehung der Ärzte, Apotheker und Schulen bereits ab kommender Woche funktioniert. Das gilt auch für Unternehmen, die ihre Beschäftigten im Betrieb möglichst täglich testen lassen sollten. Es nützt in dieser Krise nichts, mit dem großen Zeigefinger immer nur auf den Bund zu deuten: Man muss jetzt auch wirklich selber ran. 

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