Leitartikel Endlager-Suche nach dem Sankt-Florian-Prinzip

Heiliger Sankt Florian. Verschon’ mein Haus, zünd’ andere an. Das ist die Reaktion von Egoisten auf Gefahren aller Art. Bei der Suche nach einem atomaren Endlager droht sie zur Handlungsmaxime bisher angeblich seriöser Politiker zu werden.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: SZ/Robby Lorenz

Landauf, landab haben Bürgermeister, Landräte und in Bayern sogar eine Landesregierung versucht, für sich vorab ein Freilos zu ergattern. Plötzlich mutierte so mancher Dorf-Populist zum Freizeitgeologen und wusste, warum seine Region ganz ungeeignet ist. Übrigens auffallend oft konservative Politiker, die die Atomkraft immer als sicher verteidigt haben. Keiner von ihnen gesteht wenigstens jetzt ein, dass man keine Technik anwenden darf, die der Menschheit einen solchen Nachlass zumutet: Müll, der eine Million Jahre sicher gelagert werden muss. Länger als es überhaupt Menschen gibt. Und keiner von ihnen sagt, wo das Zeug denn hin soll, wenn nicht zu ihnen. Die Grünen, die immer gegen diese Energieform waren, verhalten sich da tausend Mal verantwortlicher als etwa ein Markus Söder.

Die Geologen der Bundesgesellschaft für Endlagerung haben sich in ihrem ersten Gutachten, soweit erkennbar, streng an wissenschaftliche Kriterien gehalten, was die Debatte etwas versachlicht. Selbst den Salzstock Gorleben haben sie nicht aussortiert, weil die Anwohner wirklich genug mitgemacht haben, sondern weil er nicht sicher ist. Das ist eine späte Genugtuung für die dortigen Aktivisten, die das immer behauptet haben und dafür wie Staatsfeinde behandelt wurden.

Die Suche ist transparent. Jeder kann die Unterlagen und die Entscheidungswege nachvollziehen, eine Bundesbehörde als Aufsicht und ein Bürgerbegleitgremium sorgen für den korrekten Gang der Dinge. Und am Ende muss der Bundestag jeden Zwischenschritt bewilligen. Das Verfahren ist eine Kombination aus Wissenschaft und Politik. Es funktioniert nur, wenn die Politik sich aus der Wissenschaft heraushält.

Hier allerdings liegt das große Risiko. Wo beide Bereiche in einem Becken schwimmen, geht das für die Wissenschaft oft nicht gut aus. Das war schon so, als Galileo Galilei sagte, die Erde drehe sich um die Sonne, das ist bei Corona in allen Ländern so, in denen Populisten regieren, und das wird auch in Deutschland bei der Endlagersuche die große Versuchung sein. Wenn die Auswahl noch enger wird, werden immer mehr Politiker Gründe finden, um zu sagen: bei uns nicht.

Und die AfD, die als einzige Partei weiter auf die Kernenergie setzt, ohne zu sagen, wo der Müll hin soll, wird in den betroffenen Regionen zweifellos Kampagnen nach dem Sankt-Florians-Motto machen. Die Endlagersuche ist auch ein Test auf die Festigkeit der Demokraten. Stehen sie wirklich zu ihrem gemeinsam beschlossenen Vorhaben einer neutralen Suche und zu ihrer Verantwortung, die bestmögliche Lösung zu finden? Wenn nicht, müssen sie sich auch in anderen Fragen nicht wundern, wenn Egoismus zunehmend die Solidarität ersetzt.

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