Nach der Europa- und Bremenwahl Die angeschlagene Groko ringt um ihren Fortbestand

Angeschlagene Boxer sind die gefährlichsten. Nach dem Doppelschwinger Europa- und Bremen-Wahl taumelt die SPD derzeit nur noch durch den Groko-Ring. Die Linke in der Partei erhöht mächtig den Druck.

Leitartikel: Die angeschlagene Groko ringt um ihren Fortbestand
Foto: SZ/Robby Lorenz

SPD-Chefin Andrea Nahles, selbst umstritten, muss aufpassen, dass ihr der Laden in den nächsten Wochen nicht auseinanderfliegt. Das wird sie nur verhindern können, wenn sie liefert. Zum Beispiel bei der Grundrente.

Es kommen schwere Zeiten auf die große Koalition zu. Ein Bündnis, das ja nach wie vor nicht von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, sondern von Bundeskanzlerin Angela Merkel geführt wird. Doch Merkel ist nur noch Zaungast. Im Wahlkampf war sie abgetaucht, innenpolitisch ist sie kaum präsent. AKK soll es als Parteichefin richten, so ist die Arbeitsteilung. Jedoch erweist sich das zunehmend als Problem.

Denn nach rund sechs Monaten im Amt ist auch die Saarländerin schon angeschlagen. Nicht einmal mehr 30 Prozent hat die Europa-Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls geholt. Auch von Kramp-Karrenbauer wird jetzt erwartet, dass sie in den nächsten Wochen liefert und den Trend bis zu den Landtagswahlen im Osten zumindest aufhält. In Ostdeutschland hat jedoch die AfD die Union zum Teil inzwischen abgehängt. Und das nicht wegen des Klimaschutzes oder dem Mangel an jugendlicher und cooler Kommunikation. Dort fehlen der CDU ganz andere Antworten. Eine Herkulesaufgabe für AKK, vor allem wegen der Ämterteilung.

Wenn zwei so unter Druck stehen wie die SPD- und die CDU-Vorsitzende, dann kann es sein, dass man sich noch mehr verhakt. Das Arbeiten in der Koalition war nie streitfrei, nie harmonisch, es wurde immer verbissen gerungen. Das hat das Bündnis schon im vergangenen Jahr an den Rand des Zerfalls gebracht. Klare Antworten und schnelles Handeln auf die drängenden Fragen der Zeit hat die Groko in vielen Bereichen nicht hinbekommen. Vor allem nicht beim Klimaschutz. Der Wähler hat dies am Sonntag eindeutig bestraft. Und in den nächsten Wochen müssen noch dicke Brocken abgeräumt werden: die Grundrente, die CO2-Besteuerung, die Soli-Entlastung, um nur drei Mega-Baustellen zu nennen.

Ob die Koalition nach diesem Wahltag noch die Kraft dazu hat, wird sich womöglich Anfang kommender Woche entscheiden, wenn beide Partei in Klausur gegangen sind. Die SPD zieht auf jeden Fall schon mal die Zügel an, siehe Klimagesetz. Bei den Genossen hängt aber vieles davon ab, inwieweit es dem linken Flügel gelingt, die Partei gegen die Groko aufzubringen.

Union und SPD wissen beide: Bricht die Koalition, dann werden sie bei Neuwahlen nicht die Gewinner sein, sondern die noch größeren Verlierer. Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls. Insofern müssten die Koalitionsparteien eigentlich ein Interesse daran haben, das Bündnis fortzuführen. Wenn zwei so angeschlagen sind, dann sollten sie den Kampf gegeneinander auch besser einstellen und sich den Problemen des Landes widmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort