Strategie der Volksparteien Beim Klima können Union und SPD die Grünen nicht schlagen

Jede Wahl hat ihre eigene Agenda. Das Klima ist nicht das einzige Zukunftsthema. Damit könnte auch der grüne Höhenflug endlich sein.

 Ulrich Brenner

Ulrich Brenner

Foto: SZ/Robby Lorenz

Wer angesichts des aktuellen grünen Höhenflugs Robert Habeck schon im Kanzleramt wähnt, sollte mal in die Vergangenheit blicken. Bei der Bundestagswahl vor nicht mal zwei Jahren kam die Partei gerade mal auf 8,9 Prozent. Dabei stand sie vor acht Jahren bundesweit schon mal über 20 Prozent und übernahm in Stuttgart die erste Staatskanzlei.

Die Demokratie wird volatiler. Weil die Parteibindungen schwinden, ist bei Wahlen immer wichtiger, welches Thema gerade gefühlt zur Abstimmung steht. 2011 hatten viele Bürger die Atom-Katastrophe von Fukushima vor Augen, bei den Europawahlen war es jetzt offenbar der Klimawandel. Wenn den Menschen innere Sicherheit, Arbeitsmarkt, Euro-Rettung oder Krieg und Frieden unter den Nägeln brannte, lief es für Union und SPD bisher viel besser. Richtig ist daher, was der CDU-Politiker Günter Krings jetzt sagte: „Nichts ist so gefährlich, wie sich auf die Wahlkämpfe von gestern vorzubereiten.“ Die öffentliche Agenda kann sich schnell drehen.

SPD und Union würden sich keinen Gefallen tun, wenn sie das Narrativ übernähmen, die Klimapolitik sei das einzige Zukunftsthema für Deutschland. Ihre Wichtigkeit für den Planeten ist unbestritten. Eine Binsenweisheit ist aber auch: Eine Wahl in Deutschland kann den globalen CO2-Ausstoß nur wenig beeinflussen. Sie dennoch zur Klima-Wahl zu machen, ist auch Ergebnis erfolgreichen Agenda-Settings der Umweltbewegung. Vor zwei Jahren hatte das Klima an der Wahlurne dagegen keine Priorität, obwohl es genauso gefährdet war. Die SPD versuchte damals verzweifelt, die soziale Gerechtigkeit auf die Agenda zu setzen. Im Mittelpunkt blieb aber die Migration. Die Strategie der Union, hierbei durch harte Rhetorik die AfD klein zu halten, ging fehl. Sie unterstützte nur deren Themensetzung. Die Wähler erntete die AfD, das Original in Sachen geschlossene Grenzen.

 Auch beim Klima werden die alte Kohle-Partei SPD und die Auto-Freunde von der Union so schnell nicht zum Original, sie können da die Grünen nicht schlagen. So wie es der CDU nach Fukushima nichts nutzte, schnell zur Anti-Atom-Partei zu mutieren.

Das heißt nicht, dass Union und SPD auf Fridays for Future, auf den Shitstorm gegen ihre Klimapolitik, nicht reagieren müssen. Im großen Kompromiss-Stau der deutschen Politik bei Kohleausstieg, Windenergie und Netzausbau kommt die Energiewende zu schleppend voran. Der Protest der Jugendlichen legt dieses Defizit offen.

Letztlich geht es für Volkspartien aber darum, auf alle große Fragen unterscheidbare, aber konsistente Antworten zu liefern – um Botschaften senden zu können, die ihnen die Wähler glauben. Wer wie die SPD die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt, kann nicht für und gegen Schröders Agenda-Politik stehen. Wer Migration zum Schlüsselthema erklärt, darf nicht pro und contra Merkel sein. Der Wähler will in den zentralen Fragen wissen, was er für seine Stimme bekommt. Diese Klarheit müssen die Volksparteien bei allen Zukunftsthemen liefern. Dann werden sie von keinem Agenda-Wechsel vor Wahlen kalt erwischt.

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