Schmähungen und Drohungen im Stadion An Hopp entzündet sich ein Kulturkampf im Profifußball

Das gab es im deutschen Fußball noch nie. Nach erneuten hässlichen Anfeindungen von den Rängen gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp schoben sich die Teams der TSG und von Bayern München in den letzten 15 Minuten des Bundesligaspiels nur noch den Ball zu.

 Stefan Regel

Stefan Regel

Foto: SZ/Robby Lorenz

Empörung über die Ultras im Fanblock und ihr „Hurensohn“-Banner, tiefe Anteilnahme und Solidaritätsbekundungen für Hopp allenthaben.

 Der Multimilliardär gilt als honoriger Geschäftsmann, der neben dem Engagement für seinen Heimatverein, den er aus den unteren Ligen ins Rampenlicht hob, auch als großer Wohltäter bekannt ist. 800 Millionen Euro soll er für soziale Zwecke gespendet haben. Der SAP-Gründer bekennt sich dazu: Reichtum verpflichtet, Gutes zu tun. Die Beleidigungen gegen ihn von den Rängen überschreiten mehr als nur die Grenzen von Anstand und Geschmack. Allerdings zeigt die Reaktion auf die jüngsten Vorkommenisse auch, dass die Schwelle zur Hysterie in Deutschland bedenklich sinkt. Zwischen Gelassenheit und abgrundtiefer Empörung scheint es immer weniger Abstufungen zu geben. Und die Maßstäbe sind nicht klar.

Hintergrund der Angriffe ist ein Kulturkampf im Fußball. Hopps TSG ist für die Ultras und Traditionalisten unter den Fans ein Menetekel für die totale Kommerzialisierung, die es Traditionsclubs immer schwerer macht, oben mitzuhalten. Ähnlich wie in Hoffenheim wird auch ein Retortenkonstrukt wie RB Leipzig von einem Getränkekonzern mit Geld überschüttet. Weitere Kritikpunkte dieser Anhänger sind unter anderem Verbote von Pyrotechnik, überteuerte Tickets, ungünstige Anstoßzeiten und die Zerstückelung von Spielzeiten des Fernsehens wegen. Hopp ist in die unangenehme Lage geraten, als Symbol für vieles zu stehen, was den Ultras im modernen Fußball missfällt. Und nach den Szenen am Samstag scheint ein Frieden zwischen denjenigen, die ihren Vereinen bei Wind und Wetter zu jedem Spiel durch die Republik folgen, und dem Establishment weiter entfernt denn je. Daran trägt der professionelle Fußball Mitschuld. Was jetzt helfen würde, wäre, wenn sich Ultras und der DFB erneut an einen Tisch setzten. Beleidigungen gehören ausgemerzt, berechtige Kritik an Sponsoren sollte sein dürfen.

Vor allem aber muss sich der Verband über seine Maßstäbe klar werden. Denn seit Samstag liegt die Latte für Spielabbrüche sehr niedrig. Würde künftig jedes Spiel nach Beleidigungen von den Rängen abgebrochen, ginge kaum eine Partie noch über 90 Minuten. Und warum ist die Aufregung nun größer als bei anderen Vorfällen? Da gab Jordan Torunarigha von Hertha BSC unlängst an, in einem Spiel rassistisch beleidigt worden zu sein. Die Partie wurde nicht unterbrochen. Egal, ob in der 3. Liga oder im Jugendfußball, es gibt weitere Beispiele. Nationalstürmer Timo Werner wurde wegen nach einer Schwalbe und seinem Wechsel zu RB über Jahre als „Hurensohn“ beschimpft. Nur wenn der Verband im Umgang mit persönlichen Beleidigungen und Rassismus eine einheitliche Linie findet, bleibt er glaubwürdig.

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