Leitartikel Amerikas politische Baustellen nach der Wahl

Wer am 20. Januar 2021 als Präsident der USA vereidigt wird, muss sich zahlreichen Baustellen widmen. Zunächst gilt es – für den Rest der Welt der wichtigste Punkt – den außenpolitischen Kurs abzustecken.

 Herrmann Frank

Herrmann Frank

Foto: SZ/Robby Lorenz

Zu klären ist zum einen, welche Rolle die USA im Weltgeschehen spielen wollen – ob sie sich wieder mehr engagieren oder ob sich gemäß der Parole „America First“ die isolationistischen Tendenzen verstärken. Zu klären ist weiterhin, ob sich die US-Politik wieder stärker an Werten orientiert, statt nur ihr eng definiertes Eigeninteresse im Blick zu haben. Und schließlich ist zu klären, wie es Amerika mit den nach dem Zweiten Weltkrieg geschmiedeten Allianzen hält – mit Bündnissen, die ihm strategische Vorteile einbringen, die der große Rivale China auf absehbare Zeit wohl nicht ausgleichen kann. Sicher ist indes nur, dass die Nato-Partner nicht aus der Pflicht entlassen werden, bis 2024 wie zugesagt zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungszwecke auszugeben. Schon Barack Obama hatte diese Forderung mit Nachdruck vertreten.

Es bleibt auch dabei, dass sich an den grundsätzlichen Prioritäten amerikanischer Außenpolitik vorerst nichts ändern wird: Die transatlantische Schiene ist aus Sicht des Weißen Hauses eher eine Nebenbaustelle. Deutlich wichtiger ist das künftige Verhältnis zu China. Spürbar ist derzeit eine wachsende Distanz zu dem kooperativen Kurs, den Richard Nixon 1972 mit seiner überraschenden Reise nach Peking eingeleitet hatte. Die Annahme, ein Zugehen auf die Volksrepublik würde dort eine Demokratisierung einleiten, hat sich bislang als falsch erwiesen. Nicht zuletzt ist da die Causa Nordkorea, dessen nuklearer Abrüstung US-Präsident Trump trotz seiner persönlichen Drähte zum Machthaber Kim Jong Un kein Stück näher gekommen ist.

Bleiben noch die Baustellen im eigenen Land: An erster Stelle dürfte es da um den künftigen Umgang mit der Corona-Pandemie gehen. Rund 9,3 Millionen Amerikaner haben sich mit dem Virus infiziert, 232 000 sind an den Folgen gestorben. Etwa 35 Millionen (von rund 330 Millionen) Amerikanern sind nicht krankenversichert, sieben Millionen mehr als 2016. Trump hat die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama ausgehöhlt, wenn auch nicht gekippt (ein Anlauf scheiterte im Kongress). Einen Gegenentwurf hat er bislang nicht vorgelegt. Um aus der coronabedingten wirtschaftlichen Talsohle herauszukommen, müsste der Staat den Wirtschaftsmotor mit Konjunkturprogrammen auf Touren bringen. Sinn würde es machen, die vielerorts veraltete Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Finanziell kann sich der amerikanische Bund indes kaum noch große Sprünge leisten. 2017 beschlossene Steuersenkungen sowie die Sonderausgaben der Coronakrise ließen die Staatsverschuldung von 20 (vor drei Jahren) auf jetzt 27 Billionen Dollar ansteigen. Auf Dauer lässt sich die jetzige Steuerpolitik nicht durchhalten.

Gleich wer ab Ende Jahr die politischen Weichen stellen wird: Sie werden nicht allein für die USA entscheidend sein, sondern auch für Europa und den Rest der Welt.

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