Gipfel im Kanzleramt Ein erstes Signal gegen das System der Handelsriesen

An der prekären Situation vieler Landwirte wird sich erst einmal nichts ändern. Die Erlöse für ihre Produkte werden nicht steigen, auch wird der Handel nicht von jetzt auf gleich zu fairen Methoden im Umgang mit den Erzeugern zurückfinden.

 Hagen Strauss

Hagen Strauss

Foto: SZ/Robby Lorenz

Und: Kampfmittel zwischen den vier Handelsriesen bleibt vorerst der Dumpingpreis. Das ist die nüchterne Bilanz des Treffens bei der Kanzlerin. Mehr war freilich auch nicht zu erwarten.

Probleme erkannt, Gefahren gebannt – das gilt in diesem Fall noch lange nicht. Das Spitzengespräch war zumindest ein Signal, dass die Politik die Lage im Blick hat. Wichtig ist nun, dass man den Konzernen im weiteren „Dialogprozess“ nicht auf den Leim geht. Ziel kann ja nur sein, dass es irgendwann tatsächlich faire Preise für die von den Bauern erzeugten Produkte gibt. „Alles frisch, nix teuer“, wie neulich eine Kette warb, klingt in den Ohren der Landwirtschaft nämlich zu Recht wie blanker Hohn.

Man kann in diesem Zusammenhang selbstverständlich mit dem Finger auf die Verbraucher zeigen, wie die Bosse es tun. Die Kunden wollten schließlich billige Lebensmittel, heißt es. Aber das relativiert sich schnell, wenn man bedenkt, dass die großen Unternehmen bereits 85 Prozent des Marktes beherrschen. Jetzt geht es nur darum, den Marktanteil noch zu steigern. Ganz offensichtlich ist dabei die Wertschätzung für die Waren und ihre Hersteller auf der Strecke geblieben. Wer so agiert, verspielt mit Sicherheit irgendwann das Vertrauen der Kunden. Von der Existenznot der Lieferanten ganz zu schweigen.

Der Lebensmittelhandel muss zuallererst bedenken, wohin es führt, wenn am Ende nur noch der Preis regiert. Und darf dies nicht nur dem Kunden überlassen. Gleichzeitig klingeln bei den großen Händlern ja Millionen in der Kasse, weil sie etwa Milchprodukte günstiger einkaufen, aber die Verbraucherpreise nicht senken. So weit geht dann die angebliche Kundenliebe auch nicht. Viele Verbraucher sind überdies schon weiter als die Konzernchefs. Wenn beispielsweise die Informationen zur Herstellung eines Lebensmittels transparent sind, dann ist die Bereitschaft oft groß, etwas mehr zu bezahlen. Bestes Beispiel dafür sind Eier. Der Anteil von teureren Bio- und Freilandeiern steigt seit Jahren, weil das Kennzeichnungssystem verständlich ist.

Zweifellos gibt es genügend Bürger, die auf günstige Lebensmittel angewiesen sind. Es geht auch nicht darum, Nahrung zum Luxusgut zu machen. Aber warum Menschen mit geringem Einkommen nicht ebenso ein Interesse an mehr Tier- und Umweltschutz oder an der Förderung regionaler Produkte haben sollten, wissen vermutlich nur die Handelsriesen. Wenn sich daher das System, in dem es sich die großen Vier zulasten anderer gemütlich gemacht haben, nicht durch Dialog aufbrechen lässt, auch nicht durch Umsetzung der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken, dann muss die Politik die gesetzlichen Daumenschrauben weiter anziehen. In anderen Branchen hat sie das ja auch getan.

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