Leitartikel Ein Tag der Schande für Russen und Europäer

Wladimir Putin vergleicht die Annexion der Krim gern mit der deutschen Wiedervereinigung. Die geschah bekanntlich in Abstimmung mit allen Nachbarn, auch mit der ehemaligen Sowjetunion. Nichts davon hier.

Krim-Annexion: Ein Tag der Schande für Russen und Europäer
Foto: SZ/Roby Lorenz

Auch ein Plebiszit kann internationales Recht, in diesem Fall das der territorialen Integrität der Ukraine, nicht außer Kraft setzen. Erst recht nicht, wenn es unter militärischem Druck stattfindet.

Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in Europa Grenzen gewaltsam verändert; es war ein schwerer Rückfall in eine überwunden geglaubte Zeit. Die Folgen sind gravierend. Anders als bei einem vereinbarten Gebietswechsel oder bei einer einvernehmlichen Autonomieregelung für die Region hinterlässt das Vorgehen nur Wunden. Die einstigen Brudervölker der Ukrainer und der Russen sind über Nacht mutwillig zu Erzfeinden geworden und werden es mit jedem Tag des Krieges im Donbass immer mehr. Und auf der Krim selbst häufen sich die Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Minderheiten der Krimtataren und der Ukrainer. Die versteckte Gewalt von damals hat zu offener neuer Gewalt geführt, bis hin zur aktuellen Aggression Russlands in der Straße von Kertsch. Der Norden des Schwarzen Meeres ist heute eine Region des Hasses.

Eine Anerkennung dieser Annexion kommt auch nach fünf Jahren nicht in Frage. Und auch nicht in 50 Jahren. Das würde das Vorgehen im Nachhinein legitimieren und nur zur Nachahmung einladen. Anderseits wird der Westen die Entwicklung mit Sanktionen nicht rückgängig machen können. Ihre Aufhebung sollte deshalb davon abhängig gemacht werden, ob Moskau sich woanders kooperativ verhält, insbesondere bei der Umsetzung des Minsker Friedensabkommens über die Ost-Ukraine. Die Krim hingegen wird eine Region ungeklärter gegensätzlicher Rechtsauffassungen und damit international isoliert bleiben.

Für die Bewohner der schönen Halbinsel hat das harte Folgen. Ihnen werden sehr viele Chancen der wirtschaftlichen und touristischen Entwicklung entgehen. Sie werden auf lange Zeit nur Russland haben, und sonst niemanden. Aber sie haben mit ihrer einseitigen Volksabstimmung vor fünf Jahren diesen Weg der Konfrontation mehrheitlich selbst gewählt.

Eine Veränderung kann es erst geben, wenn in Moskau Leute regieren, die mit der Ukraine einen fairen Ausgleich suchen. Nachdem die Euphorie abgeebbt ist, merken auch viele Russen inzwischen, dass ihre Kühlschränke von nationalem Überschwang nicht voll werden. Im Gegenteil. Die Kosten der Annexion, die massive Aufrüstung und die Sanktionen lasten auf der russischen Wirtschaft.

Die Korruption sowieso. Das Land hat mit der Krim-Aktion zwar scheinbar Macht gewonnen. Aber es hat Wohlstand verloren. Und auch einen Teil seiner Würde als europäische Kulturnation. Der 18. März 2014 ist für Russen wie Europäer kein Tag zum Feiern, sondern ein Tag der Schande.

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