Zäher Koalitionsgipfel Die Groko fristet ein Leben im Schattenreich des Übergangs

Weil die Medien eine Zeit lang die sehr seltenen Treffen des Koalitionsausschusses zu Krisengipfeln hochgejazzt hatten, beschlossen die Spitzen von Union und SPD, sich fortan regelmäßiger zusammenzusetzen.

Kommentar zum Koalitionsausschuss der Groko
Foto: SZ/Roby Lorenz

Frei nach dem Motto: Routine statt Rauferei. Doch so richtig will das nicht gelingen. Auch weil sich die Koalitionäre selbst nicht an das Gelöbnis halten. So hat CSU-Chef Markus Söder noch wenige Stunden vor dem Treffen der Koalitionsspitzen vom Dienstagabend gefordert, „alle Projekte“ auf den wirtschaftlichen Prüfstand zu stellen. Derweil die SPD munter für ihre Projekte Grundrente und Klimaschutzgesetz warb – ohne Prüfstand.

Diese Groko wurde im Streit geboren und es wird immer klarer, dass sie nicht im Frieden enden wird. Offen ist nur der Zeitpunkt; es kann jederzeit passieren. Vor bedeutenden Wahlen wie am übernächsten Sonntag zum Europaparlament und zur Bremer Bürgerschaft reicht es immerhin noch zu dürren Stillhaltebeschlüssen. Und wenn es doch irgendwo in einem noch so kleinen Sektor in der Substanz vorangeht, wie jetzt für die soziale Absicherung der Paketzusteller, dann nur in einem Tauschgeschäft, in diesem Fall mit einem Bürokratie-Entlastungsgesetz für die Wirtschaft. Im Grunde hat die Groko am Dienstagabend nur dokumentiert, dass sie irgendwie noch lebt. Aber es ist ein Leben im Schattenreich des Übergangs.

Angesichts der Dimension der politischen Krisen in der Welt, der drohenden Handelskriege und der sozialen, ökologischen und demografischen Herausforderungen ist es wenig beruhigend, in solchen Zeiten eine solche Regierung zu haben. Die Groko hat keine Gestaltungskraft mehr und keine politische Frische. Als Ganzes nicht, aber auch jeder ihrer Teile nicht.

Eine Kanzlerin, die ihre Autorität in dem Moment verloren hat, als sie ihren baldigen eigenen Abgang verkündete. Eine Nachfolgerin, die genau diesen nun abwarten muss und dabei wertvolle Zeit für ihre eigene Autorität vergeudet. Zwei Volksparteien, die an Schwindsucht leiden und die vor jeder nächsten Wahl zittern – die ganze SPD-Spitze nun sogar wegen des kleinen Stadtstaats Bremen. Dazu eine Handvoll Minister, jawohl fünf, die womöglich bald keine mehr sind: Karliczek, von der Leyen, Giffey, Altmaier sowie Barley, die auf jeden Fall nach Europa wechselt.

Das Schlimmste ist, dass diese Koalition niemals wird sagen können: „Okay, wir haben verstanden.“ Auch nicht nach dem 26. Mai. Sie wird niemals einen Neustart ausrufen. Dieser Weg ist ihr nach dem unerquicklichen Vorlauf und angesichts der Stimmung in ihren Parteien versperrt. Die werden keine Freunde mehr, nicht mal richtige Partner. Nicht in diesem Leben. Sie sind sich umlauernde Konkurrenten, zusammengezwungen für den Moment. Und genau so sind auch die in dürren Kommuniqués festgehaltenen Ergebnisse ihrer Spitzentreffen. Solange darin nicht steht, dass man sich trennt, sind sie die große Aufmerksamkeit eigentlich nicht wert, die sie noch erfahren.

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