Ende des INF-Vertrags Trump schürt Angst vor neuem atomaren Wettrüsten

Folgt man Mike Pompeo, dann ist es höchste Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen. Russland verstoße schon seit Jahren gegen den INF-Vertrag, argumentiert der amerikanische Außenminister.

 Herrmann Frank

Herrmann Frank

Foto: SZ/Robby Lorenz

Man werde nicht länger zulassen, dass es dies tue, ohne die Konsequenzen zu spüren. Wie die Konsequenzen aussehen, das hat Pompeo gerade umrissen. Von jetzt an fühlen sich die Vereinigten Staaten nicht mehr gebunden an den INF-Vertrag, mit dem Ronald Reagan und Michail Gorbatschow 1987 eine komplette Waffengattung verboten: bodengestützte Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern. Falls der Kreml Raketensysteme, mit denen das Weiße Haus die INF-Bestimmungen unterlaufen sieht, nicht binnen sechs Monaten verschrottet, ist der Ausstieg aus dem Abkommen besiegelt.

 Pompeo dankte den europäischen Verbündeten und beschwor die Einheit der Nato-Allianz. Dass Trump die Akzente anders setzt, machte er noch am Freitag in einer kurzen Erklärung deutlich. Deren Schlüsselsatz: „Wir können nicht das einzige Land auf der Welt sein, das einseitig durch diesen Vertrag – oder irgendeinen anderen – gebunden ist.“

 Da war er wieder, der Präsident, der in den internationalen Abmachungen der letzten Jahrzehnte eine Serie von Deals sieht, die Amerikas Spielraum eingrenzten, während andere sich ins Fäustchen lachten. Und der seinen Vorgängern im Oval Office ankreidet, anderen so ziemlich alles durchgehen zu lassen. Tatsächlich hat aber schon das Kabinett Barack Obamas der russischen Seite Vertragsverletzungen vorgeworfen. Indem Russland einen neuen Marschflugkörper entwickle verstoße es sowohl gegen den Geist als auch gegen die Paragrafen der INF-Abmachung, hieß es damals. Obama hielt dennoch an der Vereinbarung fest, weil er die Sorgen der Verbündeten in Europa verstand, deren berechtigte Angst vor einem neuen atomaren Wettrüsten auf dem Kontinent. Trump, der ohnehin nicht dazu neigt, Rücksicht auf die Europäer zu nehmen, lässt sich durch derartige Bedenken nicht bremsen. Ihm geht es darum, kompromisslose Härte zu signalisieren, nicht nur gegenüber Russland, sondern auch mit Blick auf China, den großen Rivalen des 21. Jahrhunderts. Mit Blick auf den gewissermaßen unsichtbaren Elefanten im Raum, der bislang allenfalls fragmentarisch einbezogen ist in die internationale Rüstungskontrolle.

 Die Gefahr bei alledem ist, dass zunichte gemacht wird, was im Tauwetter der späten Achtziger erreicht wurde. In einer Phase, in der sich Reagan und Gorbatschow so rasant annäherten, dass beide sogar das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen ins Auge fassten. Die Veteranen von damals, etwa George Shultz, seinerzeit Außenminister der USA, warnen vor einer Dynamik, die genau in die entgegengesetzte Richtung geht, sollte der INF-Deal endgültig gekippt werden. Wenn es Probleme gibt, empfehlen sie, muss man sie lösen. Nur eben in der festen Absicht, den Vertrag zu bewahren. Es sind Stimmen der Vernunft, die da aus langer Erfahrung sprechen.

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