Kommentar zu Umweltschutz Klima und Greta Thunberg spalten Deutschland

Die Klimaproteste haben jetzt eine neue Dimension erreicht. Fridays for Future ist zu einer weltweiten Massenbewegung mit hohem Mobilisierungsgrad geworden. Vorkämpferin Greta Thunberg hat in den vergangenen Wochen verbal aufgerüstet.

 Peter Stefan Herbst

Peter Stefan Herbst

Foto: SZ/Lorenz, Robby

Ihre Tonlage wurde immer wütender und schärfer. Extinction Rebellion, der Aufstand gegen das Aussterben, ist noch radikaler. Ziviler Ungehorsam und kalkulierter Gesetzesbruch bestimmen die Proteste bei Blockaden von Brücken, Straßen und Plätzen.

Je extremer die Klimademonstranten und ihre Forderungen aber ausfallen, desto stärker wird auch die Gegenbewegung. Viele Klimaaktivisten und deren Kritiker befinden sich in einer wechselseitigen verbalen Radikalisierung. In der Debatte akzeptieren immer mehr Menschen nur noch das, was zu eigenen Positionen passt und diese untermauert. Die Klimapolitik spaltet die Bundesrepublik.

Für die einen ist Greta Thunberg eine großartige Heldin und Heilige, für die anderen eine kleine dumme Göre. Hier Überhöhung und Glorifizierung, dort Häme und Hass.

Die einen halten die Aufständischen gegen das Aussterben für würdige Nachfolger von Martin Luther King oder Mahatma Gandhi, die anderen sehen in ihren Protesten einen Großangriff auf den Rechtsstaat und die Demokratie. Hier Radikalisierung, dort Dramatisierung.

Hysterie hat gerade Hochkonjunktur in Deutschland. Das ist nicht gut. In einer solchen Atmosphäre kann die Situation schnell weiter eskalieren. Schon längst geht es auch um Fragen der Gerechtigkeit. Sind doch die Folgen der Klimakrise ungerecht verteilt. Diejenigen, die am wenigsten zu ihrem Entstehen beigetragen haben und bereits auf andere Weise benachteiligt sind, leiden am meisten. Andere können sich von ihren Umweltsünden freikaufen – ein moderner Ablasshandel im 21. Jahrhundert.

In Deutschland sind bundesweit hunderttausende von Mitarbeitern in der Automobilbranche, in der saarländischen Stahlindustrie oder den ostdeutschen Kohlerevieren in großer Sorge um ihren Arbeitsplatz. Viele in ländlichen Räumen, die auf ein Auto angewiesen sind, glauben nicht an die Versprechen von einem besseren Öffentlichen Personennahverkehr. Sie fühlen sich von der Politik schon lange abgehängt.

Die große Koalition hat sich durch schlechte Wahlergebnisse, hohe Umfragewerte der Grünen, die Klimademos und die Gegenbewegung in aktionistischem Übereifer auf ein teures, aber begrenzt hilfreiches Klimapaket mit unzähligen faulen Kompromissen geeinigt. Für die einen ist es viel zu wenig, den anderen bereitet es schlaflose Nächte.

Klimaschutz, Wirtschaft und Wachstum müssen aber miteinander versöhnt werden. Nur so kann eine Verlagerung von Industrie und Arbeitsplätzen in Länder mit niedrigeren Umweltstandards vermieden, die Spaltung der Gesellschaft verhindert und ein besserer Klimaschutz dauerhaft finanziert werden.

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