Bostalsee und Co. Kleines macht den Saar-Tourismus groß

Meinung · Zahlen lügen nicht, aber sie verraten nicht alles. Das Saarland knackt touristisch eine Rekordmarke nach der anderen. Mehr als eine Million Urlauber kamen 2016, 100 Millionen Euro Steuereinnahmen flossen an Land und Kommunen, die Gemeinde Nohfelden am Bostalsee meldet einen 500-prozentigen Anstieg der Übernachtungen seit 2012. Dass auch der vor genau einem Jahr eröffnete Baumwipfelpfad an der Saarschleife 50 000 Menschen mehr als kalkuliert anzog, passt ins rosarote Bild. Jeder einzelne Euro aus dem jährlichen 10-Millionen-Fördertopf des Wirtschaftsministeriums für die touristische Infrastruktur scheint richtig angelegt.

Kleines macht den Saar-Tourismus groß
Foto: SZ/Robby Lorenz

Zahlen lügen nicht, aber sie verraten nicht alles. Das Saarland knackt touristisch eine Rekordmarke nach der anderen. Mehr als eine Million Urlauber kamen 2016, 100 Millionen Euro Steuereinnahmen flossen an Land und Kommunen, die Gemeinde Nohfelden am Bostalsee meldet einen 500-prozentigen Anstieg der Übernachtungen seit 2012. Dass auch der vor genau einem Jahr eröffnete Baumwipfelpfad an der Saarschleife 50 000 Menschen mehr als kalkuliert anzog, passt ins rosarote Bild. Jeder einzelne Euro aus dem jährlichen 10-Millionen-Fördertopf des Wirtschaftsministeriums für die touristische Infrastruktur scheint richtig angelegt.

Trotzdem hört es sich für viele Saarländer immer noch kurios an, wenn die Landesregierung die „Tourismusstrategie 2025“ verabschiedet. Denn im Alltag erleben die Bürger ihr Land meilenweit von dem entfernt, was sie etwa in Deutschlands führender Tourismusregion Bayern erleben: aufgeräumte Stadtbilder, herausgeputzte Denkmäler, blumengeschmückte Privathäuser. Von dieser touristischen Wohlfühlkultur ist das Saarland unweit der „Hotspots“ sogar am Bostalsee noch meilenweit entfernt – nicht wenige Dörfer deprimieren durch Leerstände, unbelebte Straßen, geschlossene Hotels.

All dies taucht in der Rekordstatistik nicht auf. Auch nicht die Probleme der Branche, weil die Umsätze nicht mitwachsen, die Kapitaldecke für Investitionen zu dünn ist. Ursachenforschung wäre dringend notwendig. Denn es gibt was zu holen, es gilt aufzuholen. Drei Viertel aller Deutschen fahren, wenn sie nur wenige Tage verreisen, ins eigene Land; 2016 waren das 55,1 Millionen Menschen. „Kurz und spontan“ sei der neue Boom, sagen Experten, hinzu komme ein neues Anspruchsdenken.

Letzteres bezieht sich auch auf den Gesamtaufenthalt. Und an dieser Stelle hakt es noch. Während andernorts die Hälfte aller Urlauber in das von ihnen erstmals bereiste Gebiet zurückkehren wollen, sind es für das Saarland nur 29 Prozent. „Weiter so“ kann die Parole demnach nicht lauten. Offensichtlich fehlt die Einsicht, dass zu den blühenden Tourismuslandschaften auch Gärtner gehören. Bürger, die Hotelbauten nicht etwa bekämpfen wie derzeit in Neunkirchen/Nahe, sondern Cafés eröffnen, Ferienwohnungen modernisieren oder Selbstgemachtes verkaufen. Die Erkenntnis, dass sich mit Tourismus Geld verdienen lässt, hat sich nach Meinung von Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) noch nicht durchgesetzt. Sie hat richtigerweise entschieden, vorerst keine weiteren Leuchtturmprojekte mehr zu finanzieren, sondern die Tourismus-Arbeit umzupolen – weg von der Image-Kampagnen-Arbeit hin zum binnenwirtschaftlichen Mentalitäts-Training.

Denn würde das bereits Vorhandene, weniger Spektakuläre geschätzt, renoviert, gepflegt, mit einem pfiffigen Konzept versehen, entstünde ein ansprechender, belebter ländlicher Raum – Basis für die Rekorde der Zukunft. Hier warten allerdings die Mühen der Ebenen insbesondere für die Kommunalpolitik. Denn Kleines trägt im Tourismus das Große.

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