Italien vor Neuwahlen Salvini wird in Rom zur Herausforderung für die EU

Regierungskrisen in Italien sind normalerweise keine weltbewegenden Ereignisse. Diesmal verhält es sich anders, zumindest Europa sollte sich auf einen beinharten Gegenspieler in Rom einstellen.

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Foto: SZ/Lorenz, Robby

Denn Innenminister Matteo Salvini, der jetzt einen Bruch der aktuellen Regierungskoalition provoziert hat, steht davor, selbst das Kommando der Regierung in Rom zu übernehmen.

 Im Herbst dürfte gewählt werden in Italien. Eine Überraschung ist das nicht. Zu unterschiedlich waren die Koalitionspartner aus Fünf-Sterne-Bewegung und der von Salvini geführten rechten Lega.  Lega-Chef Salvini hat ein politisches Kunststück fertiggebracht, das so wohl nur im volatilen Italien denkbar ist. 2014 erreichte seine Partei bei den EU-Wahlen noch etwas mehr als sechs Prozent der Stimmen, im Mai 2019 waren es 34 Prozent. Einen von den Wählern derart positiv und von den Nachbarländern skeptisch aufgenommenen Politiker hatte Italien seit Silvio Berlusconi nicht mehr. Den  viermaligen Ex-Premier  konnte man  leicht als Polit-Clown abtun. Doch der Lega-Chef meint es ernst, auch deswegen seine machtpolitische Entscheidung für den Koalitionsbruch nach knapp 14 Monaten. 

Angesichts der Unterstützung für Salvini bei den Italienern hat Staatspräsident Sergio Mattarella kaum Spielraum für Zwischenlösungen wie eine Übergangsregierung. Wenn die Italiener im Herbst gewählt haben, übernimmt Salvini das Ruder, das er bereits heute informell führt. Sein Durchgreifen in der Ausländerpolitik und seine Provokationen in der Finanzpolitik haben seine Stellung stetig gefestigt.

 Der derzeit mächtigste aller europäischen Rechtspopulisten ist eine Herausforderung für die EU. Salvini hat sich bislang durch Kompromisslosigkeit ausgezeichnet, etwa was die Lösungen für die Mittelmeer-Flüchtlinge angeht. Der Lega-Chef punktet daheim mit der Blockade. Damit reagiert er auch auf die unsolidarische Haltung in der EU, gleichwohl aus anderen Motiven.

 Lösungen in der Asylpolitik sind in Italien seit Jahren überfällig, lange regierte Laissez-Faire.  Viele Italiener halten den radikalen Kurs, den Salvini verspricht, für notwendig.  Immer mehr Italiener befürworten aber auch das vermeintliche Aufbegehren gegen das Fremde, komme es aus Bamako oder Brüssel. Sie begrüßen eine Politik, die bislang vor allem mit Schlagworten agiert: Ausweisung, Abweisung, harte Strafen, höhere Staatsverschuldung, niedrigere Steuern.

Nicht zu unterschätzen ist auch ein weniger evidenter Beweggrund für die Regierungskrise. Salvinis Lega hat ihre Basis im norditalienischen Unternehmertum. Diese Ur-Klientel drängt auf drastische Steuersenkungen, wirtschaftliche Großprojekte und eine Teilautonomie der nördlichen Regionen. Salvini kommt mit seinem jüngsten Schritt nicht nur den eigenen Ambitionen, sondern vor allem diesen Bestrebungen nach. Seinen anderen Anhängern genügt dagegen  ein Politiker, der mit der verbalen Faust auf den Tisch haut. Im wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich schwächelnden Italien ist ein Politiker, der Stärke zeigt, gerade mehr als willkommen.

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