Abschuss von Passagierflugzeug Irans Schuldeingeständnis löst keine Wende aus

Die Wahrheit ließ sich nicht mehr länger unter Verschluss halten. Am Ende war die Beweislage wohl zu erdrückend geworden, als dass der Iran seine Schuld für den Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine hätte weiter leugnen können.

Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

Der Vorgang erinnert fatal an das Jahr 1983, als die damalige Sowjetunion mitten im Kalten Krieg ein südkoreanisches Zivilflugzeug mit zwei Raketen vom Himmel holte und sich ebenfalls über Tage mit politischen Nebelkerzen vor einem offiziellen Schuldeingeständnis gedrückt hatte. Fast vier Jahrzehnte nach dieser Tragödie sollte die Menschheit eigentlich weiter sein. Ist sie aber nicht. Im Gegenteil.

Das jüngste Drama zeigt einmal mehr, wie schnell die Situation in einem hoch militarisierten Krisengebiet außer Kontrolle geraten kann. Es bleibt ein Rätsel, warum die iranischen Behörden in der Nacht des Angriffs auf US-Stützpunkte im Irak nicht den Luftraum für alle zivilen Flüge gesperrt haben. Fassungslos macht auch, wie man einen großen Passagierjet mit einem deutlich kleineren Marschflugkörper verwechseln kann. War es allein menschliches Versagen oder auch technisches? Oder beides? Fest steht, dass sich das Mullah-Regime in Teheran in eine noch schwierigere Lage manövriert hat. Die gezielte Tötung eines Top-Generals durch die USA schien viele Iraner die desolate Wirtschaftslage im Land einstweilen vergessen zu lassen. Die kollektive Empörung gegen Washington ist wahrscheinlich die beste Lebensversicherung für die Machthaber in Teheran.

Doch der Wind hat sich in kürzester Zeit gedreht. Die Trauer ist umgeschlagen in Wut und Protest gegen die Lügen der einheimischen Behörden. Das Desaster wiegt national umso schmerzlicher, als die meisten Passagiere des Todesfluges von Teheran nach Kiew iranische Staatsbürger waren. Donald Trump hingegen spielt die jüngste Wendung in die Hände. Auch wenn der US-Präsident nach wie vor über kein schlüssiges Konzept zur Eindämmung der Brandherde im Nahen Osten verfügt, sie im Gegenteil befeuert hat, so kann er sich nun wieder an die Seite der Demonstranten im Iran stellen.

Es spricht wenig dafür, dass die Katastrophe am Himmel über Teheran so etwas wie ein heilsamer Schock sein könnte, der eine Wende zur Mäßigung in der Iran-Krise auslöst. Trump hat das Atomabkommen mit dem Iran in den Wind geschlagen. Besonnenen Kräften wie der EU fehlt das diplomatische Gewicht, um dagegen etwas auszurichten. Da war es sicher kein Fehler, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende den Schulterschluss mit Wladimir Putin in Sachen Iran-Konflikt demonstriert hat. Schließlich hatte Moskau beim Zustandekommen des Atomabkommens vor fünf Jahren eine konstruktive Rolle gespielt. Auch wenn sich der Einfluss Russlands in der Region in Grenzen hält, bessere Kontakte nach Teheran als Deutschland und die anderen EU-Staaten dürfte Moskau allemal haben. Das iranische Flugabwehrsystem, mit dem der tödliche Schlag gegen den ukrainischen Passagier-Jet ausgeführt wurde, stammt übrigens aus russischer Produktion.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort