Flüchtlinge Horst Seehofer macht eine steile Lernkurve

Politik beginnt bekanntlich mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Das hat jetzt auch Horst Seehofer in Sachen Asylpolitik begriffen. Es ist nie zu spät, auch für einen 70-Jährigen nicht. Außerdem ist sein Blickwinkel jetzt ein anderer als früher.

Innenminister Seehofer bietet Quotenregelung bei Flüchtlingen an
Foto: SZ/Roby Lorenz

Für die CSU muss er sich nicht mehr gegen Angela Merkel profilieren, der er 2016 noch eine „Herrschaft des Unrechts“ vorgeworfen hatte. Für die Christsozialen ist er nur noch eine Art Politrentner. Seehofer kann sich jetzt einmal mit der Sache beschäftigen.

In der Türkei und in Griechenland hat der Innenminister den wieder anschwellenden Migrationsdruck aus Syrien gerade hautnah erlebt, auch die unerträglichen Zustände in den Lagern. Reisen bildet. Er warnte vor einer erneuten Flüchtlingskrise und versprach den Transitländern mehr Hilfen. Genau wie Angela Merkel im Jahr 2016, als sie das Türkei-Abkommen schmiedete.

Letztes Jahr hatte Seehofer einen riesigen Regierungsstreit provoziert, weil er Grenzkontrollen einführen wollte, um Asylbewerber sofort wieder ins Erstaufnahmeland zurückschicken. Das geschieht zwar rund 6000 Mal pro Jahr. Davon freilich nur rund 20 Mal direkt bei den Kontrollen an den Grenzen, die damit überflüssig sind wie ein Kropf. Die meisten werden nach der Registrierung im Inland als „Dublin-Flüchtling“ entdeckt und zurückgebracht ins Land der ursprünglichen Antragstellung.

Inzwischen hat Seehofer allerdings eingesehen, dass Dublin nicht funktioniert, weil die Ankunftsländer auf dem Problem sitzen bleiben. Was zum Beispiel in Italien nur den Rechtspopulisten nützt, die mit ihrer Weigerung, Flüchtlinge an Land zu lassen, schlimme Bilder und Zustände provoziert haben. Nun bietet der deutsche Innenminister wenigstens für die zentrale Mittelmeer-Route an, ein Viertel aller Ankömmlinge zu übernehmen. Und sucht weitere Staaten in Europa, die freiwillig mitmachen. Das ist genau das Gegenteil seiner Abweisungspolitik aus dem letzten Sommer. Und es ist genau Merkels Ansatz.

Im letzten Jahr hängte die CSU in ihren Schaukästen in Bayern stolz ein Plakat mit dem Spruch „Die Asylwende! Masterplan Migration“ aus. Von diesem Plan ist wenig geblieben. Das, was Seehofer heute macht, steht nicht drin. Und das, was drinsteht, funktioniert nicht wie erwartet. Die versprochene massive Erhöhung der Zahl der Abschiebungen in die Heimatländer hat nicht funktioniert, weil der Teufel hier weiterhin im Detail liegt. Die CSU-Erfindung der „Ankerzentren“ brachte da auch keine Besserung.

Seehofer legt in der Flüchtlingspolitik gerade eine steile Lernkurve hin. Er, aber auch die ganze CSU, sollten sich eingestehen, dass das Asylthema komplexer ist, als man früher gedacht und gesagt hat. Dass Zäune keine Antwort sind, sondern dass man für jedes Herkunftsland, jedes Transitland und jede Flüchtlingsroute spezifische Lösungen braucht. Und natürlich auch für die Flüchtlinge, die hier sind. Eine Entschuldigung bei Angela Merkel für manche Erniedrigung auf CSU-Parteitagen wäre übrigens angebracht.

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