Leitartikel zu Stellenstreichungen in Auto und Stahlindustrie Größte Krise im Saarland seit Ende des Bergbaus

Es gibt nichts mehr zu beschönigen. Fast täglich erreichen Hiobsbotschaften aus der saarländischen Industrie die Öffentlichkeit. Am Freitag sorgte der Stahl für den bisherigen Höhepunkt einer alarmierenden Entwicklung.

Industrie-Krise im Saarland: Stellenabbau bei bei Saarstahl, Dillinger, ZF und Guss
Foto: SZ/Lorenz, Robby

1500 Stellen in der Dillinger Hütte und bei Saarstahl fallen weg. Weitere 1000 Stellen werden ausgelagert.

Vorbei sind die Zeiten, in denen man sicher sein konnte: „Einmal Dillinger Hütte, immer Dillinger Hütte“. Vergangen die Tage, wo eine Festanstellung beim Zulieferer ZF mit seinen attraktiven Prämien für Saarländer die Grundlage einer sicheren Lebensplanung nebst Hausbau schuf. Auch dort stehen wohl 1800 Jobs auf der Kippe. Bei den durch Misswirtschaft bedrohten Gusswerken Saarbrücken geht es um 1000 Mitarbeiter. Und bei Ford in Saarlouis kann heute niemand sagen, ob das Werk mit seinen 5000 Beschäftigten nach dem Jahr 2024 noch bestehen bleibt. Von den zahlreichen Autozulieferern im Saarland ganz zu schweigen, denen heute schon teilweise das Wasser bis zum Hals steht. Was wird aus Bosch in Homburg, was aus Eberspächer in Neunkirchen? Nirgendwo sind verlässliche Perspektiven in Sicht.

Vieles hat seine Ursachen in der weltweiten Stahlkrise, die durch aktuelle Handelskriege angeheizt wurde. Es liegt aber auch an der beispiellosen Verunsicherung, die in der Automobilindustrie durch den Diesel-Skandal um sich gegriffen hat. Und es hat mit einer unklaren Politik in der Klimadebatte zu tun: Setzen wir wirklich auf Elektroautos, für die ausreichende Strommengen, Stromtrassen und Ladestationen fehlen? Oder doch auf Wasserstoff oder Hybrid-Technik. Und unter welchen Kosten produziert künftig die Energie-intensive Industrie?

Natürlich ist es ein Gebot der Stunde für alle Industriebetriebe, in neue Technologien zu investieren. Es geht auch für Deutschland insgesamt darum, den Strukturwandel in den Bundesländern stärker zu unterstützen. Kurz- und mittelfristig kann es für das Saarland die Informationstechnologie (IT), mit der hier so große Hoffnungen verbunden werden, alleine aber nicht richten. Selbst das wichtige Helmholtz Zentrum für Cybersicherheit Cispa mit später vielleicht über 500 Wissenschaftlern wird nicht ausreichen, die Probleme eines klassischen Industrielandes zu lösen. Man kann nicht einfach Stahlarbeiter oder Beschäftigte am Fließband 1:1 zu IT-Fachleuten umqualifizieren. Das muss auch all denen klar sein, die die Industrie für verzichtbar halten.

Vordringlich ist jetzt die Frage, wie man möglichst viele Saarländer in Arbeit halten will. Der saarländischen Stahlindustrie fehlt hier eindeutig die Lobby in Berlin und Brüssel, zumal EU-weit viele Mitgliedsstaaten Industrie für verzichtbar halten. Um es klar zu sagen: Das Saarland steckt in seiner größten Krise seit dem Ende des Bergbaus. Die Landesregierung hat darauf bisher keine nachvollziehbaren Antworten gefunden. Ein Land, in dem junge Menschen und Familien keine berufliche Perspektiven sehen, blutet aus. Soweit darf es nicht kommen.

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