Fußball-Freunde gucken in die Röhre Profi-Fußball in Deutschland am Scheideweg

Auf ein Wunder hoffen beim Saisonfinale große Teile der Fußballfreunde in Deutschland, so sie nicht Fans des FC Bayern München sind. Denn nur ein solches Wunder kann die wenig wunderbaren Zeiten für den deutschen Profifußball aufhellen und dieses Wochenende zu einer Insel des Glücks machen.

 Kommentarkopf Dietmar Klostermann

Kommentarkopf Dietmar Klostermann

Foto: SZ/Robby Lorenz

Einer Insel des Glücks in einem Meer der Langeweile, in dem die Bundesliga zu versinken droht – mit der siebten Meisterschaft der Münchener in Folge. Obwohl Borussia Dortmund noch im Winter neun Punkte Vorsprung vor den Bayern hatte.

Doch selbst ein Wunder könnte an diesem Samstag nicht über den Zustand des deutschen Profi-Fußballs hinwegtäuschen. International gab es das Desaster der Nationalelf bei der WM in Russland 2018 und den Abstieg in der Uefa-Nations-League. In den europäischen Club-Wettbewerben schieden die deutschen Vertreter BVB, Bayern, Schalke und Hoffenheim sang- und klanglos aus. Allein die Frankfurter kamen ins Halbfinale der vom Ex-Kaiser Franz Beckenbauer als „Verlierer-Cup“ abgekanzelten Europa League.

Die Zukunft sieht nicht besser aus. Vier englische Vereine bestreiten die europäischen Endspiele. Diese Dominanz der Premier-League-Clubs wollen die deutschen Top-Vereine zwar durchbrechen. Doch die Idee einer Super League, die Bayern-Präsident Uli Hoeneß favorisiert, wäre der Sargnagel für die Bundesliga. Das zahlungskräftigste Dutzend der europäischen Top-Clubs – darunter laut Hoeneß natürlich die Bayern und auch Borussia Dortmund – soll eine eigene exklusive Liga eröffnen, in der sich alles nur noch um sie selbst dreht. Und die armen Schlucker schauen in die Röhre. Was heißen würde, dass der größte Teil der aus weltweiten Übertragungsrechten gewonnenen Milliarden Euro dieses Dutzend Vereine von Madrid über Juventus und PSG bis ManCity weiter mästet.

Dabei werden auch sehr viele TV-Zuschauer in Deutschland in die Röhre schauen. Bereits heute müssen sie für internationalen Spitzenfußball bei Privatsendern und Streamingdiensten draufzahlen. Der Tag dürfte nicht fern sein, dass auch die Bundesliga komplett verschlüsselt und nur noch im Abo zu haben sein wird. Denn die deutschen Profi-Clubs halten auch deshalb international nicht mehr mit, weil sie keine dreistelligen Millionensummen für die Neymars, Mbappés, Messis, Ronaldos oder Griezmanns hinblättern können. Es sind nicht alleine Oli­garchen und Ölscheichs, die diese Entwicklung befördern. Wenn die Ticketpreise, die bereits jetzt in der Bundesliga sehr hoch sind, auf Premier-League-Niveau geschraubt werden, sind die Normalverdiener auch vom hautnahen Fußballerlebnis ausgeschlossen.

In Abwandlung der alten Indianer-Weisheit, die die Umweltbewegung der 1980er Jahre befeuerte, seufze ich: „Erst wenn der letzte Stehplatzrang in eine VIP-Loge verwandelt ist, wenn die Eintrittskarte so viel kostet wie ein Monatslohn und das Internet-Fußball-Abo teurer ist als die Rundfunkgebühr, werdet ihr erkennen, dass der Fußball tot ist.“ Lasst es nicht so weit kommen!

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