Leitartikel Wir dürfen das Netz nicht den Hetzern überlassen

Nun ist Robert Habeck also nicht mehr da. Von Twitter hat er sich verabschiedet, sein Konto bei Facebook hat er gelöscht. Twitter sei ein hartes Medium, meint er.

Facebook, Twitter und Co: Wir dürfen das Netz nicht den Hetzern überlassen
Foto: SZ/Robby Lorenz

Da werde spaltend und polarisierend geredet. Da hat Habeck Recht. Und natürlich lässt dort jeder seinen Senf zu jedem noch so großen Unsinn ab. Das weiß der Grünen-Chef aber nicht erst, seit er für zwei seiner Tweets heftige Kritik einstecken musste. Immerhin folgten ihm rund 100 000 Leute in den sozialen Netzen, die Habeck gerne mit Neuigkeiten versorgte. Das ist nun vorbei. Keine 280 Zeichen mehr aus dem Bundestag, keine Videobotschaften zu Wahlen, keine Fotos aus dem Urlaub. Habeck will mit sozialen Medien nichts mehr zu tun haben. Das steht ihm natürlich zu. Aber es steht ihm nicht gut zu Gesicht.

Denn Habeck räumt kampflos das Feld. Einen Ort im Internet, der schnell zum Schlachtfeld werden kann, wo viel gehasst und gelogen wird. Aber längst nicht von den meisten Nutzern. Das muss man immer wieder betonen. Wenn aber alle, die noch vor Wochen mit dem Hashtag #wirsindmehr ein klares Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit setzten, ebenfalls ihre Accounts löschen würden, hieße das mehr oder weniger, die sozialen Netze denen zu überlassen, die dort mit Hass um sich werfen, Fake News verbreiten und gegen alles Fremde hetzen. Das kann nicht die Lösung sein.

Dass es ausgerechnet der Begriff Demokratie war, für den Habeck in seinen Tweets viel Spott einstecken musste, ist nicht frei von Ironie. Einmal forderte er, die CSU-Vorherrschaft in Bayern abzuschaffen, damit es dort wieder Demokratie gebe. Dann versprach er, seine Partei werde alles tun, damit Thüringen ein demokratisches Land werde. Wohlgemerkt regieren die Grünen in Thüringen mit. Dort wurden sie gewählt. Lief alles sehr demokratisch ab. In Bayern auch, wo Habecks Partei von vielen Demokraten Stimmen bekam.

Aber Demokratie und das Internet, das ist ein schwieriges Spannungsverhältnis. Galt das Netz in seinen Anfängen als Bastion von Vielfalt und Meinungsfreiheit, die jedem praktisch überall auf dem Globus Zugang zu allen Informationen bescherte, kam rasch die Kehrseite der Medaille zum Vorschein. Auf Meinungsfreiheit pochen dort nämlich auch sämtliche Verschwörungstheoretiker und Antidemokraten. Aber deshalb kam bislang kaum ein Mensch auf die Idee, die weiße Fahne zu schwenken und seinen Online-Zugang vollständig zu kappen. Zu sehr profitieren wir längst alle vom weltweiten Datennetz.

Auch Habeck wird die vielen Vorteile des Internet weiter nutzen. Obwohl von ihm auch sehr Privates im Zuge des Datenklaus veröffentlicht wurde. Sein Parteikollege Hubert Ulrich hatte ja sofort einen Verdacht, wer hinter dem Diebstahl stecken muss: Moskau. Er sagte das zwar nicht auf Twitter und nicht auf Facebook, aber Unsinn war es trotzdem. Denn es war offensichtlich ein 20-Jähriger aus Hessen, der noch bei seinen Eltern lebt.

Ob Habeck nun als Konsequenz der Politik den Rücken kehrt? Das wird er sicher nicht tun. Das kann die Lösung ja nicht sein.

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