Corona-Krise Alte Argumente gegen Eurobonds taugen nicht

Wir geben unser gutes Steuergeld nicht für griechischen Schlendrian her, so lautete 2012 die Begründung für die strikte Ablehnung von Eurobonds. Günstige Kredite aus dem Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM) verbunden mit harten Reformauflagen waren die Alternative, die hierzulande freilich auch noch bekämpft wurde.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: SZ/Robby Lorenz

Zur Erinnerung: Die AfD wurde im Kampf dagegen gegründet. Aber dieser Weg hat halbwegs funktioniert. In Griechenland, in Irland, in Portugal.

Die Corona-Krise ist anders. Nun ist schlagartig ganz Europa betroffen. Angesichts dieser Dimension ist es grotesk, wie manche nun reflexhaft die alten Argumente herausholen. Diesmal ist nicht italienischer, spanischer oder französischer Schlendrian schuld. Diesmal ist eine Krise, die, wenn sie nicht gelöst wird, erst den Euro und dann die ganze EU in die Luft jagen kann. Und die Deutschen können dann gucken, wo sie ihre Autos verkaufen, und die Holländer, wo sie ihre Tulpen loswerden. Hier gibt es nicht schuldig oder unschuldig in Not Geratene, hier gibt es zunächst mal nur die Not.

Europa muss gemeinsam eine Antwort finden, die Euro-Gruppe für den gemeinsamen Währungsraum, aber auch die EU. Wahrscheinlich liegt die Lösung in einer Kombination mehrerer Instrumente – was freilich voraussetzt, dass keines von vornherein tabuisiert wird. Der Stabilitätsmechanismus ESM steht weiterhin zur Verfügung. Italien und anderen Ländern fällt kein Zacken aus der Krone, daraus Kredite anzunehmen. Im Gegenzug muss die Eurogruppe mit sich darüber reden lassen, dass die Auflagen gelockert und die Rückzahlung gestreckt werden. Man kann nicht halb Europa aus Brüssel bevormunden, wie man es im Fall Athen noch getan hat. Darauf warten Rechtspopulisten wie Salvini oder Le Pen nur. Sie sind die andere Gefahr für Europa, die auch in Schach gehalten werden muss.

Zum Zweiten fällt auch Deutschland und den Nordländern kein Zacken aus der Krone, wenn sie sich auf Zeit und in beschränktem Umfang an Gemeinschaftsanleihen beteiligen. Die Zeiten, da man hierzulande von besonders niedrigen Zinsen profitieren konnte, sind dann eben eine Weile vorbei. Und wer glaubt, das Ausfallrisiko sei zu hoch, der glaubt nicht an das Wiedergenesen des Kontinents. Der kann in den Alpen gleich die Zäune hoch ziehen.

Zum Dritten schließlich muss der erste Haushalt der EU nach dem Corona-Crash ein Investitions- und Wiederaufbauhaushalt sein, der schwerpunktmäßig dort besonders viel hilft, wo besonders viel weggebrochen ist. Vor allem rund um das Mittelmeer. National handeln die Staaten ja auch nicht anders. Sie helfen ihren am meisten betroffenen Branchen zuerst. Aber wahrscheinlich liegt hier das größte Problem: Dass die europäischen Länder ihre Gemeinschaft noch nicht so sorgsam betrachten und behandeln, wie sich jeweils selbst. Wenn sich das nicht ändert, stirbt Europa – nicht an Corona, sondern an einem Virus namens Nationalismus.

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