Leitartikel Die EU muss weiter gegen Steuer-Dschungel angehen

Es war nicht nur der Fall Apple, der den öffentlichen Ärger über die Steuerpraxis von Großkonzernen losgetreten hat. Da gab es viele Affären, Skandale und Enthüllungen – von LuxLeaks bis Panama Papers.

 Format: jpg KK-Detlef Drewes

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Foto: Lorenz

Dazu etliche Umfragen und Studien, die ausnahmslos das Bild raffgieriger Konzerne nährten, die ihren Standort von den staatlichen Offerten zur Steuervermeidung abhängig machten. Die Wut der Bürger, mehr noch die der kleineren Unternehmen, war zu Recht groß. Schließlich konnten grenzüberschreitend tätige Unternehmen Gewinne hin und her schieben, um sie schließlich dort zu versteuern, wo man kaum noch von einer Abgabenlast sprechen kann. Dass dabei oft mit undurchsichtigen Zahlen und mit wenig aussagekräftigen Vergleichen zwischen nominaler und effektiver Steuerlast argumentiert wurde, hat der Diskussion nicht gut getan. Weil ein Feindbild entstand, das eine Lösung nur erschwerte.

Im Fall Apple geht es nicht um illegale Steuerpraktiken. Die Frage lautet vielmehr, ob die Wertschöpfung dort stattfindet, wo iPhones und iMacs entworfen oder wo sie verkauft werden. Inzwischen haben die Brüsseler EU-Kommission und die Finanzminister sich weitgehend darauf geeinigt, dass die Abgaben dort erhoben und gezahlt werden sollen, wo die Gewinne erwirtschaftet werden. Das hat Sinn, war aber zu der Zeit, in der der Fall Apple spielt, noch keineswegs einhellige Meinung. Ob man daraus den Vorwurf der wettbewerbsverzerrenden Staatsbeihilfe konstruieren kann, wird das oberste EU-Gericht nun klären – und damit eine Blaupause für ähnliche Fälle schaffen.

Trotzdem darf die EU nicht zur Ruhe kommen. Denn diese Praxis hat rein gar nichts mit Steuerparadiesen oder dem selbst vom EuGH gebilligten Standortwettbewerb über Niedrigsteuersätze zu tun. Denn die Luxemburger Juristen haben in einem anderen Verfahren festgehalten, dass die Mitgliedstaaten ihre Abgabensätze sehr wohl niedrig ansetzen dürfen, um dadurch Unternehmen anzulocken. Dennoch müssen sich die Europäische Union, aber auch jedes einzelne Land, darüber im Klaren sein, dass Sonderregelungen, Ausnahmen und vor allem wenig nachvollziehbare Steuersätze in der Öffentlichkeit nicht länger akzeptiert werden. Denn mit Gerechtigkeit hat es rein gar nichts mehr zu tun, wenn die Steuerhinterziehung im einen Fall ein schweres Vergehen ist, im anderen Fall aber angeboten wird.

Die EU ist nicht untätig gewesen. Inzwischen wurde ein ganzes Paket gegen solche Steuervermeidungsmodelle erlassen – und sogar von den Finanzministern gebilligt. Aktuell läuft die zweijährige Phase der Übernahme in die nationale Gesetzgebung. Dass die Brüsseler Behörde parallel dazu immer neue Verfahren gegen Mitgliedstaaten und Unternehmen eröffnen muss, zeigt, wie viel noch zu tun ist. Und wie gering das Verständnis für den berechtigten Ärger der Bürger ausfällt. Es wäre wichtig, dass der EuGH ein beispielhaftes Urteil fällt, das für alle Beteiligten unmissverständliche Klarheit schafft.

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