Haronisierung der Corona-Reiseregeln Die Mühlen Europas mahlen viel zu langsam

Schon wieder gehen in der EU die Schlagbäume runter. Anders als im Frühjahr, als das Reisen über EU-Grenzen hinweg schlicht verboten war, unterliegt der Bann der Mobilität diesmal subtileren Gesetzen.

Einheitliche Corona-Reiseregeln: Die Mühlen der EU mahlen zu langsam
Foto: SZ/Robby Lorenz

Ein unentwirrbares Knäuel unterschiedlicher nationaler Regelungen macht es allen extrem schwer, die unterwegs sein wollen oder müssen. Testpflichten, Quarantäneregeln und Reiseverbote fallen je nach Mitgliedsland so unterschiedlich aus, dass fast nichts mehr geht. Weil es in Europa so viele unterschiedliche Coronaregeln gibt wie Regierungen, regiert schon beinahe wieder die Immobilität wie zu Lockdown-Zeiten.

Da weisen Schweden, Frankreich und Luxemburg gar keine Risikogebiete in der EU aus. Die Bürger sind einfach nur gehalten, vorsichtig zu sein. Wer in Brüssel wohnt und nach Deutschland will, muss dagegen einen negativen Corona-Test vorweisen oder für zwei Wochen in Quarantäne. Bislang hat nur Ungarn die Grenzen dichtgemacht. Aber auch nicht so ganz. Die Bürger der politisch befreundeten Visegradstaaten Tschechien, Slowakei und Polen sind weiterhin willkommen. Dass diese Länder pro 100 000 Einwohner deutlich mehr Infektionen hatten als etwa Deutschland, spielt keine Rolle. Das zeigt: Im Fall von Ungarn wird nicht nur Seuchenverhütung betrieben, sondern auch noch Politik – und zwar auf bekannt plumpe Art und Weise.

Das Chaos ist groß, die wirtschaftlichen Kosten der ausgebremsten Mobilität steigen. Auch politisch ist das Wirrwarr fatal. Ihren Frust laden die Bürger bei der EU ab. Das ist verständlich, weil die Europäer zu guten Zeiten so stolz waren auf die Freizügigkeit. Nur Eingeweihte dürften wissen: Die EU ist die falsche Adresse für die Kritik am Chaos. Brüssel hat im Bereich der Gesundheit keine Kompetenzen. Die Mitgliedstaaten entscheiden selbst, welche Corona-Regeln in ihren Ländergrenzen gelten.

Immerhin versuchen die EU-Kommission und die Bundesregierung in ihrer Rolle im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft, das Knäuel zu entwirren. Die Kommission hat einen Vorschlag gemacht für ein EU-weites Ampelsystem und gemeinsamen Kriterien für die Ausweisung von Risikogebieten. Es ist nur leider so kompliziert, dass kaum jemand es versteht. Die ernüchternde Botschaft ist: Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Mitgliedstaaten sich in den nächsten Wochen und Monaten auf eine Harmonisierung der Reiseregeln einigen werden. Zu groß sind die nationalen Egoismen.

Es wäre fahrlässig, den Bürgern Hoffnung zu machen, dass das Wirrwarr bald beendet ist. Wenn es nur zu einer besseren Koordinierung der Corona-Politik käme, wäre schon viel gewonnen. So muss etwa dafür gesorgt werden, dass die Mitgliedsländer auf der Basis der selben Datenlage ihre Risikogebiete ausweisen. Davon kann derzeit ebenso wenig die Rede sein, wie dass sie dafür die gleichen epidemiologischen Kriterien heranziehen. Erst wenn hier eine Einigung erzielt ist, kann man anfangen, über die Maßnahmen zu diskutieren, die zur Seuchen-Prävention nötig sind. Es bleibt zu hoffen, dass die Wissenschaft bei der Suche nach dem Impfstoff schneller ist als die Politik.

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