Meinung Die Kirche bei neuen Corona-Verschärfungen im Dorf lassen

Berlin/Saarbrücken · Die Länder zanken aktuell über eine bundesweit einheitliche Teilnehmerobergrenze bei privaten Feiern. Doch die sind fast nicht zu kontrollieren. Für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung wären andere Maßnahmen sinnvoller.

 (Symbolbild)

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Foto: dpa/Paul Zinken

Noch vor zwei Monaten schien sich alles zum Guten zu wenden. Mitte Juni waren Kanzlerin und Ministerpräsidenten erstmals wieder persönlich zusammen gekommen, um gemeinsame Antworten auf die Corona-Krise zu finden. Damals ging es um weitere Lockerungen der virusbedingten Restriktionen. In dieser Woche nun will die Runde erneut tagen. Allerdings nur per Video-Schalte wie vor Mitte Juni auch schon. Es ist ein Symbol für den Rückschlag. Geht es doch nun wieder um Verschärfungen. Bund und Länder sollten dabei jedoch die Kirche im Dorf lassen.

Tatsache ist, dass die Covid-19-Fallzahlen deutlich gestiegen sind. Gleichzeitig wird aber auch deutlich mehr getestet. Also alles halb so schlimm? So einfach ist es nicht. Gab es doch schon immer die Vermutung, dass die Dunkelziffer der Infizierten um ein Mehrfaches höher liegen könnte, als es die vom Robert-Koch-Institut täglich verbreiteten Daten erahnen lassen. Zieht man noch in Betracht, dass der Anteil der auf das Virus positiv getesteten Personen laut Experten im Großen und Ganzen gleich geblieben ist, dann lässt dies auf einen echten Anstieg der Fallzahlen schließen. Was die Sache zusätzlich problematisch macht: Es gibt nur noch wenige ausgemachte Corona-Hotspots im Land. Das Virus wird immer stärker zu einer flächendeckenden Angelegenheit. Galt vor vier Wochen noch mehr als jeder dritte Land- oder Stadtkreis als Corona-frei, so ist es jetzt nur noch jeder zehnte. Das erschwert den Gesundheitsämtern das Geschäft der Nachverfolgung. Und damit wächst auch wieder die Gefahr einer ungebremsten Ausbreitung der Seuche.

In dieser Situation wären Lockerungen der Verhaltensregeln töricht. Praxisferne Verschärfungen sind jedoch genauso unangebracht. Die Länder zanken aktuell über eine bundesweit einheitliche Teilnehmerobergrenze bei privaten Feiern. Der föderale Flickenteppich ist hier ja auch besonders stark ausgeprägt. In Hamburg zum Beispiel dürfen höchstens 25 Personen gemeinsam Party machen, in Niederachsen 50, in Brandenburg dagegen bis zu 1000. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand, dass bereits zehn Leute in einem kleinen Zimmer leichte Beute für das Virus sein könnten, während die gleiche Anzahl in einem deutlich größeren Raum kaum ein Risiko darstellt. Unter freiem Himmel sieht es noch einmal ganz anders aus.

Bevor Bund und Länder nun allerdings die Dinge weiter verkomplizieren, sollten sie bedenken, dass schon die geltenden Gäste-Obergrenzen kaum kontrollierbar sind. Beide Seiten sollten besser ändern, was tatsächlich in ihrer Macht steht. Dass bei Verstößen gegen die Maskenpflicht in manchen Bundesländer saftige Bußgelder drohen, aber in anderen nicht, versteht kein Mensch. Hier braucht es endlich eine einheitliche Regelung. Notwendig sind auch einheitliche Bestimmungen für die Corona-Tests. Es würde dem allgemeinen Verständnis für die Zwangsmaßnahmen dienen. Die persönliche Verantwortung für den Schutz vor Corona kann der Staat den Menschen ohnehin nicht abnehmen.

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