Nach dem abgesagten Koalitionsgipfel Die Grundrente wird zur Nagelprobe für Schwarz-Rot

Seit Monaten tüfteln Union und SPD nun schon an einer Grundrente für vormalige Niedrigverdiener. Dafür könnte man noch Verständnis aufbringen, denn die Sache ist kompliziert. Mehrere Vorgänger-Regierungen haben sich bereits daran versucht und verheißungsvolle Namen dafür kreiert.

 Kopf Vetter

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Foto: SZ/Robby Lorenz

Doch zur „Solidarrente“ ist es genauso wenig gekommen wie zu einer „solidarischen Lebensleistungsrente“. Die amtierende große Koalition unterscheidet sich allerdings insofern von ihren politischen Vorläufern, als dass sie schon nach der Hälfte der Wahlperiode als abgewirtschaftet gilt. Insofern wird die Grundrente zur Nagelprobe, ob Schwarz-Rot überhaupt noch eine größere Reform auf die Reihe bringen kann.

Formal betrachtet sind die Voraussetzungen dafür gar nicht so schlecht. Nach zäher Kleinarbeit sind die Sozialdemokraten von ihrer Maximalposition abgerückt, eine Rentenaufstockung ohne jegliche Bedarfsprüfung ins Gesetzblatt zu schreiben. Das klingt vernünftig, denn warum sollte jemand Geld vom Staat erhalten, der neben seiner schmalen Rente auch noch andere Einkünfte hat und damit über der Bedürftigkeitsgrenze liegt? Da geht es um ein sozialstaatliches Grundprinzip. Obendrein sollte man die Beschäftigten im Blick behalten, die das Ganze zum allergrößten Teil bezahlen müssen. Umgekehrt wird eine Grundrente allerdings zur Farce, wenn sie nur ganz wenigen Menschen zugutekommt. Vor diesem Hintergrund ist die Beschränkung auf eine Einkommensprüfung anhand der persönlichen Steuererklärung ein guter Kompromiss. Denn auch, wer als Geringverdiener zum Beispiel Wohngeld bezieht, muss sich einer Einkommensprüfung unterwerfen.

Dumm nur, dass der Union inzwischen eine klare Orientierung fehlt, was auf die Führungsschwäche ihrer Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zurückgeht. Das Verlangen nach einer „CDU pur“ hat dort deshalb an Fahrt gewonnen. Das macht eine Lösung bei der Grundrente zum Vabanquespiel. Daher ist es auch gar nicht so abwegig, wenn die CSU und Teile der CDU eine Einigung mit steuerlichen Entlastungen für Unternehmen verknüpfen wollen. Die stehen zwar auch nicht so im Koalitionsvertrag, sind aber ein Herzensanliegen der Union. Man kann das einen Kuhhandel nennen. Wahr ist aber auch, dass alle Koalitionspartner einen Erfolg brauchen. Wenn man so will, hat ihn die Union sogar noch nötiger, denn sie fiel bislang nur mit einem Beharren auf dem Status Quo auf: Keine Steuererhöhungen zum Beispiel, und schon gar keine Abkehr von der „Schwarzen Null“. Dagegen hat die SPD allein mit der Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge oder der Schaffung eines „sozialen Arbeitsmarkts“ für Langzeitarbeitslose schon deutlich mehr vorzuweisen. Nur hat es halt keiner so recht gemerkt.

Ohne einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss bei der Grundrente sind die Tage der großen Koalition jedenfalls gezählt. Daran könnte auch ein künftiger SPD-Chef namens Olaf Scholz nichts ändern.

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