Analyse Die Corona-Krise macht der AfD zu schaffen

Berlin · Die Position der AfD zu den Maßnahmen gegen die Corona-Krise ist klar: Nicht Ja, nicht Nein. Sondern Enthaltung. So stimmte die Bundestagsfraktion jedenfalls ab, als es um die Aufnahme von 156 Milliarden Euro neuer Schulden für die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen ging.

 Sorgte mit seinem Vorstoß zur Spaltung für zusätzlichen Ärger in der Partei: AfD-Chef Meuthen.

Sorgte mit seinem Vorstoß zur Spaltung für zusätzlichen Ärger in der Partei: AfD-Chef Meuthen.

Foto: dpa/Paul Zinken

Die Partei wirkt desorientiert und hat dafür mit einem Minus von vier auf zehn Prozent in den Umfragen bereits eine Quittung bekommen. Ihr Hauptthema, die Ablehnung von Flüchtlingen und des Islam, spielt derzeit praktisch keine Rolle mehr. Querverweise wirken eher krampfhaft. So erklärte der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland im Bundestag unter Hinweis auf die Grenzschließungen: „Man kann also die Grenzen schützen. Und wir werden die Bundesregierung bei Gelegenheit daran erinnern.“ Freilich, diese Art von Grenzschließungen goutiert kaum ein Bürger. Am Wochenende forderte Co-Chef Tino Chrupalla ein Kurzarbeitergeld für Lehrlinge.

Derweil kommen auch die unterschwelligen Botschaften der Partei nicht mehr an. Etwa die Ablehnung der „Altparteien“. Gerade ist starkes Regierungshandeln gefragt; die CDU schießt in Umfragen nach oben. Auch der Kampf gegen die „Lügenpresse“ und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat sich einstweilen erledigt. Verlässliche Informationen sind jetzt das A und O, und die gibt es nicht in den sozialen Medien. Dass AfD-Abgeordnete wie Armin-Paul Hampel Corona als „verhältnismäßig leichte Grippe“ einstufen, ist auch nicht hilfreich.

Im Bundestag schob die AfD als Begründung für ihre Enthaltung gegen alle Hilfsgesetze vor, dass die Mehrheit ihrem Antrag, den Pandemiefall auf einen Monat zu begrenzen, nicht zugestimmt hatte. In Wahrheit steckte dahinter die Angst, bei einem „Ja“ als „Systempartei“ zu gelten. Und inhaltliche Unklarheit. So gibt es in der AfD einen neoliberalen Flügel, der den Staat zurückstutzen will und auf private Verantwortung setzt. Und einen anderen, der genau das Gegenteil beabsichtigt und den „solidarischen Patriotismus“ predigt, einen ausgeweiteten Sozialstaat – allerdings nur für Bio-Deutsche. Beide Strömungen wollten ihren fundamentalen Streit am Beispiel der Rentenpolitik eigentlich schon lange auf einem Parteitag klären. Der fällt Corona-bedingt nun erneut aus.

„Die Ideologie eines impotenten Zwergstaates hat dem Bürger im Ernstfall weder Schutz noch Hilfe zu bieten“, schrieb etwa der Thüringer AfD-Politiker und Anhänger des Höcke-Flügels, Jürgen Pohl, und lobte die Rettungspakete der Groko. Dagegen warnte Fraktionschefin Alice Weidel vor einer „Quasi-Staatswirtschaft“. Was sie aber nicht daran hinderte, in einem „Fünf-Punkte-Sofortprogramm“ teilweise noch umfangreichere Rettungspakete zu fordern, als sie die Regierung vorlegte. Die AfD verlässt sich weiterhin darauf, dass ihre Widersprüche von den Anhängern nicht wahrgenommen werden.

Geblieben sind die Unflätigkeiten gegenüber politischen Gegnern. So twitterte Weidel unter dem hämischen Hashtag „Fridays for Feldarbeit“, Studenten und Schüler könnten jetzt bei der Ernte helfen, statt gegen die Klimakrise zu protestieren. AfD-Chef Jörg Meuthen wetterte gegen „Genderwissenschaften“, für die zu viel Geld ausgegeben werde, was im Gesundheitswesen fehlte. Und einzelne AfD-Politiker sonderten im Netz giftige Kommentare zu Angela Merkels Quarantäne ab. Etwa: „Hinter Gittern wäre besser“. Immerhin: Dass das gleich wieder gelöscht wurde, zeigt, dass allzu primitive Hetze gerade nicht Mode ist.

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