Leitartikel Dem Westen ist Syrien weiter weitgehend egal

Die Debatte über eine westliche – und womöglich auch deutsche – Intervention im Syrien-Konflikt zeigt vor allem die Heuchelei, mit denen Amerikaner und Europäer den Bürgerkrieg betrachten.

Der Westen hat weiter keine Strategie für Syrien
Foto: SZ/Robby Lorenz

Diskutiert wird über Luftangriffe im Falle eines Chemiewaffen-Einsatzes in der Provinz Idlib, wo mehrere Millionen Zivilisten schon bald einem Großangriff von Kampfflugzeugen, Artillerie und Bodentruppen ausgesetzt sein könnten. Der Westen will nur eingreifen, wenn dabei Chlorgas versprüht wird – ein Blutbad mit konventionellen Waffen wird dagegen schulterzuckend hingenommen.

Mehr als sieben Jahre lang hat sich der Westen aus dem Krieg in Syrien herausgehalten. Als vor drei Jahren die Flüchtlingswelle aus dem Bürgerkriegsland in Europa ankam, traf die EU mit der Türkei eine Vereinbarung, die das südöstliche Nato-Land zum Torwächter machte, um die Hilfesuchenden aufzuhalten. Politische Initiativen zur Lösung des Grundproblems, für einen Frieden blieben aus.

Die USA hatten es noch leichter als die Europäer, Syrien sich selbst sowie den Russen und Iranern zu überlassen. Durch einen breiten Ozean vom Kampfgeschehen getrennt, mussten die Amerikaner nicht einmal die Ankunft von Flüchtlingsbooten befürchten. Barack Obama nahm sogar den Einsatz von C-Waffen hin, indem er trotz einer entsprechenden Warnung tatenlos blieb, als Zivilisten elend erstickten. Donald Trump hat das geändert und bisher in vergleichbaren Fälle zweimal Raketenangriffe angeordnet. Wenn auch wohl aus einer Laune heraus. So erklärte seine eigene Regierung im Vorjahr, der Präsident habe sich zum Einsatzbefehl entschlossen, nachdem er Fernsehbilder von vergasten Kindern gesehen hatte.

Selbst wenn der Westen über Nacht zur Einsicht gelangen sollte, die Massaker müssten gestoppt werden, gleich mit welchen Waffen sie verübt werden, wäre das höchstens ein Ansatz für eine Lösung. Denn weder die USA noch Europa haben eine erkennbare politische Strategie für Syrien: Selbst wenn ihre überlegenen Waffen die Assad-Armee und die russischen Kampfjets in die Schranken weisen sollten, wüssten die Regierungen in Washington, London, Paris und Berlin nicht, wie es in dem Land weitergehen soll.

Da ist es bequemer, sich über C-Waffen aufzuregen, die eine oder andere Rakete abzufeuern und ein paar Tornados zur Schadensbegutachtung zu schicken, und ansonsten die Russen machen zu lassen. Idlib ist ohnehin die letzte Hochburg syrischer Regierungsgegner. Ist die Provinz einmal gefallen, wird sich das Interesse der Führung in Damaskus und ihrer Schutzherren in Moskau und Teheran auf eine Zukunft des Landes mit Assad an der Spitze konzentrieren.

Insofern ist der Streit in der Bundesregierung über eine mögliche Bundeswehr-Beteiligung an militärischen Strafmaßnahmen nach einer möglichen Giftgas-Attacke nicht viel mehr als Wichtigtuerei. Deutschland hat nicht die leiseste Absicht, in Syrien irgendetwas dauerhaft zu verändern. Ernst werden könnte es allerdings, wenn der Nato-Partner Türkei in den Kampf hineingezogen werden sollte.

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