Debatte um Impfpflicht für Pflegekräfte Wer Verantwortung für andere hat, hat Pflichten

Die Debatte um eine Impfpflicht nimmt Fahrt auf. Im Fokus stehen dabei die Pflegekräfte - und das aus gutem Grund.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

Die Lage an der Corona-Front ist weiter dramatisch. Allein am Dienstag wurden wieder 891 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 gemeldet. Gleichzeitig steigt die Gefahr der Ausbreitung von noch weitaus ansteckenderen Virus-Mutationen. Eine Verlängerung des Lockdowns steht mittlerweile schon fast außer Frage. Und worüber wird in Deutschland gerade diskutiert? Ob für Pflegekräfte eine Impfpflicht gelten soll oder nicht. Eigentlich müsste es selbstverständlich sein, dass sich diese Berufsgruppe selbst in die Pflicht nimmt. Schließlich geht es um Arbeit mit hochbetagten Menschen, für die das Virus bekanntlich besonders gefährlich ist.

Leider ist es ganz anders. Zwar gibt es keine umfänglichen Statistiken über die Impfbereitschaft von Mitarbeitern in Pflegheimen. Bekannt ist aber, dass viele dort auch schon den üblichen Grippeimpfungen skeptisch gegenüberstehen. Angaben des Deutschen Städtetages zufolge lehnen in manchen Einrichtungen aktuell bis zu 70 Prozent des Pflegepersonals eine Spritze gegen Covid-19 ab. Und wenn es nur die Hälfte wäre, dann wäre auch das ein untragbarer Zustand. Trotzdem fallen die meisten politischen Reaktionen verstörend milde aus. Statt Zwang müsse weiter aufgeklärt werden, außerdem fehle es ohnehin noch an Impfstoff. So oder so ähnlich lauten die Argumente. Offenbar sollen eingefleischte Impfgegner nicht noch mehr gereizt werden. Doch diese Rücksichtnahme ist falsch.

Wer Pilot werden will, der muss ein gutes Sehvermögen haben, wer einen Bus steuert, braucht eine spezielle Fahrerlaubnis, ansonsten werden Menschen in Gefahr gebracht. Und auch die Freiheit von Pflegekräften und medizinischem Personal muss dort enden, wo sie beginnt, den ihnen anvertrauten Menschen zu schaden. In diesen Berufsgruppen kommt noch die Vorbildwirkung hinzu: Wenn schon dort Impfskepsis herrscht, dann färbt das natürlich auch auf Patienten und Heimbewohner ab. Dann wird es nichts mit der Immunisierung.

Der Hinweis auf den derzeit noch mangelnden Impfstoff ist jedenfalls kein Grund, politisch mit Samthandschuhen vorzugehen. Gerade weil das Serum noch nicht für alle reicht, müssen Impf-Prioritäten festgelegt werden. Und auf dieser Liste stehen Pflegekräfte ganz oben. Das ist auch ein Privileg, wenn man bedenkt, dass sich viele Menschen gern sofort impfen lassen würden, aber darauf noch länger warten müssen. Und wenn Bayerns Regierungschef Markus Söder jetzt nach Vorschlägen des Ethikrates zum Ob und Wie einer Impfpflicht ruft, dann ist das auch halbherzig. Das Gremium hat sich schon früher mit dieser Frage beschäftigt und eher gespalten reagiert. Die Entscheidung nimmt der Politik niemand ab.

Für Pflegekräfte darf es keine reine Privatsache sein, ob sie sich gegen eine hochansteckende Erkrankung wie Covid-19 impfen lassen. Auch Kinder müssen eine Masern-Impfung vorweisen, um eine Kita besuchen zu können. Eine generelle Impfpflicht braucht es nicht. Aber dort, wo es wirklich nottut, schon.

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