Leitartikel Die großen Gefahren der schönen, bunten Google-Welt

Das viele Weiß, diese Unschuld, die bunten Buchstaben, dieses Tempo: Alles, was man wissen will, ist nur einen Wimpernschlag entfernt. Zwei Jahrzehnte nach der Geburtsstunde von Google ist für viele zwar kaum noch vorstellbar, dass es je anders war, im Internet nach Informationen zu suchen, aber es war anders – in der Vor-Google-Zeit.

Das Plastik des Informationszeitalters: Warum Google gefährlich ist
Foto: SZ/Robby Lorenz

Denn Google war anders.

Die geniale Erfindung zweier Studenten übertrumpfte alles Dagewesene, brachte Ordnung ins Datenchaos, plötzlich schien das Wissen der Menschheit für jedermann verfügbar. Und dann war da noch dieser mega-coole Leitspruch, nichts Böses zu tun. „Don’t be evil“ wurde zum Heilsversprechen einer angeblich zum Wohle aller handelnden Firma, die den Maßstab setzte für eine auf die Segnungen moderner Technologien setzenden Generation junger Netz-Enthusiasten.

Und jetzt, mit 20, wo das Unternehmen erwachsen geworden ist? Seine Unschuld hat Google schon vor Jahren verloren, als es in China eine Suchmaschine an den Start brachte, die sich den Zensurvorschriften der Führung beugte. Zwar zog man sich bereits 2010 wieder aus dem weltgrößten Internetmarkt zurück, doch zum Jubiläum wird heftig über eine Rückkehr spekuliert. Mehr als 1000 Mitarbeiter und etliche Menschenrechtsgruppen haben bereits Protestbriefe gegen das Vorhaben verfasst. Nach einem ähnlichen Aufstand war Google kürzlich aus einem Kampfdrohnen-Projekt mit dem US-Militär ausgestiegen.

Es sind nur zwei Beispiele dafür, wie sich Google gewandelt hat von einem vorgeblichen Heile-Welt-Unternehmen zu einer rücksichtslosen Geldmaschine. Die Debatte um einen Konzern außer Kontrolle jedenfalls hat das Stadium der Technik-kritischen Verschwörungstheorie längst überwunden und beschäftigt endlich auch die Politik. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht inzwischen ebenso über schärfere Regeln, um die Macht der Internetgiganten zu beschneiden, wie SPD-Chefin Andrea Nahles, die mit einem „Daten-für-alle“-Gesetz für mehr Wettbewerb sorgen will und sich auch eine Zerschlagung vorstellen kann. Selbst US-Präsident Donald Trump, sonst selten eine Hilfe, hat erkannt, wie gefährlich Google und Co. sein können.

Aus Bewunderung und Respekt ist längst Angst geworden, weil Google in so viele Bereiche unseres Lebens vordringt. Immer mehr Menschen fürchten sich davor, dass der Datenkrake all sein Wissen irgendwann gnadenlos einsetzt. Dazu beigetragen haben offene Worte von Eric Schmidt, einem der wenigen bekannten Google-Gesichter. Google, Facebook, Amazon und Apple seien viel mächtiger, als die meisten ahnten. Bis auf biologische Viren gäbe es nichts, was sich mit derartiger Geschwindigkeit und Aggressivität ausbreite und ihren Machern so viel Macht verleihe.

Schöne, bunte Google-Welt? Das war einmal. Wir sollten uns viel häufiger und ernsthafter mit Alternativen beschäftigen, sollten nicht so bequem und weniger naiv sein. Denn allem Anschein nach ist Google das Plastik des Informationszeitalters: total praktisch, aber auf Dauer verdammt gefährlich.

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