Corona-Maßnahmen Die Akzeptanz der Regeln scheitert am Flickenteppich

Was bisher eine der Stärken der deutschen Pandemiebekämpfung war, die dezentrale und deshalb gezielte Aktionsmöglichkeit, gerät dann zum Nachteil, wenn dezentral nicht oder nicht richtig gehandelt wird.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: SZ/Robby Lorenz

Und wenn die Bürger die Maßnahmen wegen der vielen unterschiedlichen Regeln nicht akzeptieren. Es gibt 16 Bundesländer. Aber keine 16 Corona-Viren.

Es muss deshalb nicht überall gleiche Corona-Beschränkungen geben, da haben die Ost-Länder recht. Denn die aktuellen Infektionszahlen sind sehr unterschiedlich. Aber es muss ein einheitliches System geben, ab wann welche Restriktionen greifen. Die Alarmgrenzen müssen ähnlich dem Berliner Ampel-System die Infektionszahlen, die Leistungsfähigkeit der Gesundheitsämter zur Kontaktnachverfolgung und die Klinikkapazitäten berücksichtigen. Denn letztlich geht es um die Eindämmung der Pandemie und um die Begrenzung der Zahl der Opfer. Wenn die einzelnen Alarmstufen überschritten werden, müssen in allen Ländern aber überall die selben Regeln gelten.

Die Kanzlerin hat bei ihrer Besprechung mit den Ministerpräsidenten zwar einen Einstieg in ein solches System erreicht. Aber noch immer ist es den Ländern weitgehend überlassen, wie sei bei der Erreichung bestimmter Infektionszahlen konkret reagieren. Der Flickenteppich bleibt. Das schwächt die Akzeptanz von Einschränkungen bei den Bürgern.

Alle Ampel-Systeme nutzen ohnehin nichts, wenn sie nicht konsequent umgesetzt werden. Das gilt auch für die gestern beschlossenen 50 Euro für falsche Namensangaben in der Gastronomie. In vielen Gegenden Deutschlands wird niemals belangt, wer ohne Mundschutz kellnert oder eine illegale Fete veranstaltet. Da nützt dann auch die Empfehlung maximaler Teilnehmerzahlen nicht viel, die jetzt ebenfalls beschlossen wurde. Die laxe Art, wie etwa die Stadt Berlin mit Verstößen umgeht, grenzt schon an Beihilfe zur Virus-Verbreitung. Die ganze Corona-Bekämpferei findet ja nicht wegen der Vernünftigen statt, die sich überall vorsichtig verhalten. Sondern wegen der Unvernünftigen, wegen jener, die man nur durch Zwang vor Ansteckung schützen kann, so dass sie nicht andere anstecken können. Kontrollen sind nicht links und nicht rechts, sie sind schlichtweg sozial geboten. Es ist unverständlich, dass die Kontrollmängel nicht thematisiert und abgestellt wurden. Drittens schließlich muss es ein einheitliches Vorgehen bei Einreisen aus Risikogebieten geben. Sonst entsteht hier durch föderale Sonderregeln ein riesiges Einfallstor für das Virus. Das ist ebenfalls noch nicht gelöst.

Angela Merkel, die das alles wohl sieht, hat mit sehr schwierigen und eigenwilligen Verhandlungspartnern zu tun. Die gestrigen Beschlüsse müssen sich an der neuen Dynamik des Infektionsgeschehens messen. Gut möglich, dass man bald nachbessern muss. Jetzt wird es kalt, die Leute halten sich bald öfter in geschlossenen Räumen auf. Man kann nur hoffen, dass die zweite Welle nicht zu stark wird. Sonst wird es richtig bitter. Für alle in allen Bundesländern.

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