Gesellschaft in der Corona-Krise Das Virus als Stresstest für den Gemeinsinn

Das Coronavirus ist ein großer Gleichmacher. Ob reich, ob arm, niemand ist dagegen immun. Das Coronavirus ist zugleich auch ein großer Spalter. In der Pandemie ist sich jeder selbst der nächste. Die Hamsterkäufe zeigen es, schon in dieser frühen Phase.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: SZ/Robby Lorenz

Toilettenpapier! Darauf wäre man nicht gekommen. Kurz nach dem Ausbruch der Krise gab es auch Misstrauen, ja Aggressionen gegenüber allen Asiaten als die vermeintlichen Verursacher. Man versuchte, Gruppen zu markieren, die das Unheil bringen. Wie in früheren Zeiten das Pestkreuz an den Häusern. Bis es plötzlich zu viele Verursacher gab.

Das Virus stellt die Zivilität in Frage. Und zwar umso stärker, je mehr es um sich greift. Man fühlt sich an den düsteren Roman von José Saramago „Die Stadt der Blinden“ erinnert, in der die Gesellschaft sehr schnell komplett zerfällt. Darum ist jetzt so wichtig, dass der Staat funktioniert. Dass die Verantwortlichen die Öffentlichkeit gut informieren und die richtigen Entscheidungen treffen. Dass das Gesundheitssystem in der Lage bleibt, zu helfen, wem es schlecht geht. Dass der Staat auch wirtschaftliche Schäden überbrückt, damit zur Krankheit nicht auch noch Not kommt. Wenn das Vertrauen in die Institutionen zerbricht, heißt es bald: Rette sich, wer kann.

Aber nicht nur der Staat, jeder Einzelne ist jetzt gefragt. Das fängt damit an, dass alle, wirklich alle, versuchen, sich epidemiologisch korrekt zu verhalten. Das bedeutet: Kontakte einschränken, soweit es geht, Hygieneregeln einhalten. Nicht mehr zur Arbeit gehen, wenn man sich krank fühlt. Große Veranstaltungen meiden. Die Dinge, auf die man individuell verzichten muss, sind überschaubar.

Corona ist eine relativ leichte Erkrankung, schon deshalb gibt es keinen Grund zur Panik. Es geht nicht mehr darum, das Virus aus der Welt zu schaffen, dazu ist es zu spät. Es geht darum, die Epidemie langsamer verlaufen zu lassen, damit das Gesundheitssystem damit klar kommt. Denn es gibt Risikogruppen, die bei einer Ansteckung häufig intensivmedizinisch betreut werden müssen. Sie zu schützen, indem man alles tut, sich selbst nicht zu infizieren, ist das eigentliche Ziel aller Maßnahmen. Es geht um Solidarität.

Viele Menschen aus der Risiko-Gruppe, Vorerkrankte, Alte, Patienten, die gerade Operationen hinter sich haben, trauen sich nicht mehr aus Häusern und Wohnungen. Zu recht. Es ist an der Zeit und notwendig, dass die Gesunden für sie Hilfsdienste anbieten. Zum Beispiel Einkäufe erledigen. Oder nur mal nach dem Zustand fragen. Das kann man alles durch die Tür machen, ohne direkten Kontakt, ohne sich gegenseitig zu gefährden. Wenn die Schulen und Kindergärten schließen, werden auch manche Familien Unterstützung brauchen. Etwa Kinderbetreuung.

Das Virus testet den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wie viel Gemeinsinn ist noch da, wenn es ernst wird? „Wir schaffen das“ – das wäre jetzt mal eine richtig gute Parole.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort